Menschen gewinnen Menschen – das neue Recruiting-Paradigma

Stefan Scheller | 19.10.2023 | 6 Minuten Lesezeit

Zwei offene Hände, welche ein aus Wolle gestricktes Herz halten
Quelle: Stefan Scheller

Das Wichtigste in Kürze

Der Text beleuchtet die spannenden Entwicklungen im Employer Branding und betont die Wichtigkeit von Authentizität und menschlichen Verbindungen bei der Arbeitgeberwahl. Dabei wird hervorgehoben, dass Personalmarketing am besten funktioniert, wenn es von echten Mitarbeitern unterstützt wird. Die größte Hürde in diesem Prozess liegt im Mangel an Mut und Ehrlichkeit, sowohl beim Management als auch in der öffentlichen Kommunikation. Der Autor schließt mit der Aufforderung, den Fokus auf menschliche Interaktion und Kommunikation zu legen und bietet Unterstützung für HR-Teams durch den PERSOBLOGGER CLUB an, um die Personalgewinnung zu optimieren.

Recruitingnahes Employer Branding und Personalmarketing hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wenn ich beispielsweise überlege, dass vor 10-15 Jahren klassische Stellenausschreibungen in Tageszeitungen noch einen letzten Peak erlebt hatten. Heute wird über Sichtbarkeit digital via Algorithmen entschieden. Die Logiken von Stellenbörsen, Online-Plattformen und Social Media grundsätzlich zu kennen und zu verstehen, ist essenziell geworden.

Eine Vielzahl relevanter Entscheidungen wird mittlerweile datenbasiert getroffen – auch wenn wir uns dessen manchmal gar nicht bewusst sind (Stichwort: digitale Sichtbarkeit als Black Box). Und mit Blick auf die nahezu explodierenden Möglichkeiten generativer künstlicher Intelligenz zeigen sich schon jetzt große Chancen auf, um die Prozesse in der Personalgewinnung weiter zu optimieren.
 

Menschen statt Marken

Die größte Veränderung im Bereich Employer Branding ist aus meiner Sicht jedoch die Erkenntnis, dass Menschen zwar (Produkt)Marken folgen. Aber wenn es um das Thema Arbeitgeberwahl geht, dann gewinnen die Menschen (!) andere Menschen. Diesen Leitsatz „MENSCHEN gewinnen Menschen“ trage ich zwischenzeitlich in zahlreichen Keynotes vor mir her und gebe Einblicke, was genau ich damit meine.

Es geht mir um eine neue Art von Ehrlichkeit, die den Begriff „Authentizität“ tatsächlich verdient und nicht nur Buzzword bleibt. Ich spreche von „Emotion vor Information“ als Leitsatz und den Grundsatz des Peer-Recruitings. Manche sprechen gar schon von #NewEmployerBranding. Ob es nicht vielmehr endlich „Real Employer Branding“ ist, kann man durchaus diskutieren.

Allerdings fällt der Masse an Unternehmen dieses Thema enorm schwer. Sie missverstehen Employer Branding noch immer komplett. Es geht weder um plumpe Arbeitgeberwerbung („Schaut her, wie sind toll – kommt zu uns!“), noch hilft es über die gleichen Themen mit den gleichen Worten zu sprechen wie alle anderen Arbeitgeber auch. Das ist kein „Branding“ im Sinne der ursprünglichen Wortbedeutung als „Brandzeichen“ zur Unterscheidung von Rinderherden. Das ist einerlei und damit belanglos.
 

Keine Arbeitgeberwerbung betreiben

Noch konkreter: Selbst Personalmarketing-Kampagnen, die sich abheben von der Masse, sind so lange eben nur Marketing (im schlimmsten Fall sogar „Arbeitgeberwerbung“) als diese nicht von echten Mitarbeitenden getragen und selbstständig und glaubwürdig (ungesteuert!) verkörpert werden. Es ist ja kein Zufall, dass Aktivitäten wie Corporate-Influencer- oder Markenbotschafter-Programme neben Empfehlungsmarketing so erfolgreich sind.

Es sind am Ende immer die Menschen, die den Unterschied machen - mal sogenannte Hygienefaktoren außenvorgelassen. Aber auf jene sollten wir im Employer Branding eh nicht den Fokus legen – Gehalt, Arbeitsbedingungen und sonstige Rahmenbedingungen müssen stimmen, völlig klar. Aber eine attraktive Arbeitgebermarke baue ich damit noch lange nicht auf.
 

Was hindert HR noch?

Die größte Hürde für eine flächendeckende und grundlegende Veränderung der Haltung im Employer Branding ist aus meiner Sicht der Mangel an Mut und Ehrlichkeit sowie das Zögern von Management-Verantwortlichen in die Sichtbarkeit zu gehen. Und dabei meine ich bewusst nicht das Posten oder Teilen von Stellenanzeigen! Mir geht es um ein menschliches Greifbar-Werden. Und das kann und sollte ganz unterschiedlich aussehen.

Ach ja, und viele scheuen auch die öffentliche Kommunikation, wenn es mal kritisch wird, beispielsweise bei extrem negativen Bewertungen auf Arbeitgeberbewertungsportalen. Dabei sind gerade Plattformen wie kununu und Co extrem große Hebel, um die eigene Arbeitgebermarke mittels der dort agierenden Personen mit Emotion und Glaubwürdigkeit aufzuladen.

Übrigens eines meiner Steckenpferde, weswegen ich als „Mr. kununu“ dazu auch Workshops im Rahmen des neuen PERSOBLOGGER CLUB anbiete.
 

Fazit: Personalgewinnung neu denken und lernen

Zusammengefasst würde ich sagen, dass das zu hebende Potenzial noch gigantisch ist. Angefangen vom Top-Management, das sich öffentlich von der menschlichen Seite zeigen und den Mitarbeitenden im Unternehmen dies ebenfalls ermöglichen sollte, bis hin zu glaubwürdigen Personalmarketing-Kampagnen nah an den Menschen.

Lassen Sie uns also die Interaktion sowie Kommunikation als Mensch in den Mittelpunkt stellen und weniger anonym die Organisation als solche (Stichwort: „Ihr Karriereteam“). Denn nochmal: Es sind am Ende die Menschen, die andere Menschen gewinnen.

Um vor allem HR-Teams kleinerer Unternehmen eine Möglichkeit zu geben, HR-Arbeit mit dem Schwerpunkt Personalgewinnung praxisorientiert zu optimieren, habe ich den PERSOBLOGGER CLUB gegründet. Community-basierter Austausch und Praxiswissen pur.
 

FAQS

1. Was sind die wichtigsten Veränderungen im Bereich Recruitingnahes Employer Branding und Personalmarketing?

In den letzten Jahren hat sich der Bereich deutlich verändert, mit einem Schwerpunkt auf digitaler Sichtbarkeit und datenbasierter Entscheidungsfindung. Die Nutzung von Algorithmen beeinflusst die Sichtbarkeit heute maßgeblich.

2. Was ist die größte Veränderung im Bereich Employer Branding?

Die größte Veränderung ist die Erkenntnis, dass Menschen Menschen folgen, wenn es um die Arbeitgeberwahl geht. Authentizität, Emotion und Peer-Recruiting sind Schlüsselkonzepte, die als #NewEmployerBranding bezeichnet werden.

3. Was sollten Unternehmen in Bezug auf Employer Branding vermeiden?

Unternehmen sollten vermeiden, plumpe Arbeitgeberwerbung zu betreiben oder über die gleichen Themen mit den gleichen Worten wie andere Arbeitgeber zu sprechen. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind entscheidend.

4. Warum sind Personalmarketing-Kampagnen, die sich von der Masse abheben, allein nicht ausreichend?

Solche Kampagnen sind nur dann erfolgreich, wenn sie von echten Mitarbeitenden getragen und selbstständig und glaubwürdig verkörpert werden. Corporate-Influencer- oder Markenbotschafter-Programme können hier hilfreich sein.

5. Was sind die größten Hürden für eine grundlegende Veränderung im Bereich Employer Branding?

Die größte Hürde ist der Mangel an Mut und Ehrlichkeit, besonders bei Management-Verantwortlichen, die sich öffentlich zeigen sollten. Es besteht auch die Scheu vor öffentlicher Kommunikation bei kritischen Situationen, wie negativen Bewertungen auf Arbeitgeberbewertungsportalen.

Über den Autor

Portrait von Stefan Scheller

Stefan Scheller

auch bekannt als „der Persoblogger“, ist HR-Influencer und Gründer von PERSOBLOGGER.DE, einer der bekanntesten deutschsprachigen HR-Websites. Sein 14-tägiger Podcast Klartext HR ergänzt die vielfältigen Inhalte um ein 15-minütiges Audioformat rund um New Work, Leadership, Digital HR und Lernen. Die Klartext HR Deepdives nehmen sich monatlich ein Thema in der Tiefe vor und finden als Gespräch zu dritt statt. Der neue PERSOBLOGGER CLUB verknüpft interaktive und nachhaltige Lernangebote für HR mit zusätzlichen Leistungen in einem kostenpflichtigen PREMIUM-Bereich.

Als mehrfacher Buchautor und Speaker begeistert er sein Publikum auf zahlreichen Konferenzen, HR-Messen sowie bei unternehmensintern gebuchten Vorträgen.