Die Zukunftsvision einer Vier-Tage-Woche - TEIL 1
03.08.2019 | Steven van Tuijl
Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist seit vielen Jahren Diskussionsthema in Deutschland und der Wunsch bei Arbeitnehmern in ganz Europa nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance wächst. Vor dem Hintergrund, dass für zwei Drittel der Arbeitnehmer unbezahlte Überstunden die Regel sind und Arbeitnehmer durchschnittlich fast fünf Stunden pro Woche ohne Bezahlung arbeiten wird offensichtlich, dass diese Balance oft als unerreichbar abgetan wird.
Diese Zahlen ergab die Studie „Workforce View Europe“ von ADP® mit über 10.000 befragten europäischen Arbeitnehmern. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Arbeitgeber unrealistische Erwartungen an die Arbeitnehmer stellen, was dazu führt, dass sie länger arbeiten als vereinbart – und nicht selten ohne dafür finanziell entlohnt zu werden. Dabei ist laut der Studie Deutschland Spitzenreiter bei unbezahlten Überstunden: Rund 71 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig unbezahlte Überstunden zu leisten.
"Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist seit vielen Jahren Diskussionsthema in Deutschland und der Wunsch bei Arbeitnehmern in ganz Europa nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance wächst."
Unbezahlte Überstunden nehmen auch bei den jüngsten Beschäftigten in Europa deutlich zu. 17 Prozent der 16- bis 24-jährigen Europas bestätigen, mehr als zehn Überstunden pro Woche zu leisten. In Deutschland gaben dies rund 10 Prozent der Befragten in diesem Alter an. Neue Arbeitsmodelle mit flexiblen Arbeitszeiten oder die Vier-Tage-Woche wären Alternativen zum konservativen Modell von Montag bis Freitag, wie es die meisten in Europa kennen und könnten zu einer verbesserten Work-Life-Balance beitragen. Nicht überraschend würden sich über die Hälfte der europäischen Arbeitnehmer (56%) für eine viertägige Arbeitswoche entscheiden, wenn sie die Wahl hätten.
Die Idee einer viertägigen Arbeitswoche hat sich in den letzten Jahren in den Köpfen der Arbeitnehmer weiter durchgesetzt. Berichte geben an, dass sie die Produktivität revolutionieren, die Work-Life-Balance der Mitarbeiter verbessern und den Stress senken kann. Angesichts der steigenden Nachfrage der Mitarbeiter deuten die Zahlen darauf hin, dass Arbeitgeber die Idee ernst nehmen sollten und einige Firmen testen die Vier-Tage-Woche oder den sechs-Stunden Tag bereits erfolgreich (Beispiel: Brath AB). Die Befragten teilen sich, hinsichtlich der Auswirkungen auf ihre Gesamtstunden und das Gehalt in zwei Gruppen auf: Der größere Teil möchte nicht auf das aktuelle Gehalt verzichten, und würde daher bevorzugen, an vier Tagen länger zu arbeiten (78%).
Interview mit Steven van Tuijl, General Manager der ADP Deutschland!
Steven van Tuijl, General Manager der ADP Deutschland, geht im Interview auf die Ergebnisse der „Workforce View Europe“-Studie von ADP® ein.
1) Wollen alle Arbeitnehmer das Gleiche?
Die Vier-Tage-Woche ist in Europa bei denjenigen am beliebtesten, die sich in der mittleren Phase ihrer Karriere befinden. Mehr als die Hälfte (59%) der Arbeitnehmer im Alter zwischen 35 und 44 Jahren gaben an, dass sie sich für die Vier-Tage-Woche entscheiden würden. Gründe dafür könnten die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sowie andere Verantwortlichkeiten sein, für die durch das neue Modell mehr Zeit zur Verfügung stünde. Die Mehrheit dieser Gruppe möchte ihr Lohnniveau beibehalten (46%), während die Millennials überwiegend eine Gehaltskürzung für weniger Stunden in Anspruch nehmen würden – 15 Prozent der 16 bis 34-Jährigen wählte diese Option.
Von den Befragten in Deutschland bevorzugen die meisten so weiter zu arbeiten wie bisher. Dem stimmen über die Hälfte der 16 bis 24-Jährigen (rund 58%) zu, gefolgt von Arbeitnehmern der Altersgruppe 55+ mit 52 Prozent. 36 Prozent bevorzugen hingegen die Vier-Tage-Woche zum üblichen Gehalt. Nur die 35 bis 44-Jährigen entscheiden sich überwiegend (41%) für das aktuelle Gehalt bei längerer Arbeitszeit an vier Tagen.
"Mehr als die Hälfte (59%) der Arbeitnehmer im Alter zwischen 35 und 44 Jahren gaben an, dass sie sich für die Vier-Tage-Woche entscheiden würden."
Die Hälfte der Befragten in Deutschland (54%) würden an vier Tagen zum gleichen Gehalt bei zunehmender Stundenzahl arbeiten (39%) oder in den vier Tagen für weniger Gehalt arbeiten wollen (15%). Erwartungsgemäß fällt auch die Einstellung unter den einzelnen Bundesländern zu der Vier-Tage-Woche unterschiedlich aus: Die höchste Zustimmung für das normale Arbeitsmodell findet sich im Saarland (62%), in Bremen (60%) und in Berlin (55%). Die größte Zustimmung für das gleiche Gehalt an vier Tagen zu arbeiten, findet sich mit rund 54 Prozent in Rheinland-Pfalz und jeweils rund 49 Prozent in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die dritte Option – an vier Tagen für ein geringeres Gehalt zu arbeiten – präferieren Arbeitnehmer in Hessen mit rund 25 Prozent und mit rund 20 Prozent in Bremen und Niedersachsen.