Zahlen lügen nicht: KPIs im betrieblichen Gesundheitsmanagement richtig interpretieren

17.10.2024 | Bastian Schmidtbleicher-Lück, Jurek Mähler und Oliver Walle | Lesezeit 10 Minuten

ein Bild mit Händen an einer Tastatur und einer digital dargestellte Grafik. Die Grafik besteht aus leuchtenden, miteinander verbundenen blauen Linien und zeigt einen Diagrammpfeil, der nach oben zeigt
Quelle: Zukunft Personal

Das Wichtigste in Kürze

KPIs im betrieblichen Gesundheitsmanagement helfen, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu messen und zu optimieren, erfordern jedoch eine sorgfältige Interpretation im richtigen Kontext. Entscheidend ist, die Zahlen regelmäßig zu analysieren und in konkrete Handlungen zu übersetzen, um langfristige Verbesserungen zu erzielen.

In Zeiten zunehmender Digitalisierung und eines verstärkten Fokus auf Mitarbeiterwohlbefinden stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement messbar zu machen. KPIs (Key Performance Indicators) spielen hierbei eine zentrale Rolle. Doch welche KPIs sind überhaupt relevant, wie interpretiert man sie richtig und welche Fallstricke gilt es zu vermeiden?

Die Bedeutung von KPIs im BGM

KPIs sind im betrieblichen Gesundheitsmanagement essenziell, um den Erfolg von Maßnahmen zu bewerten, strategische Entscheidungen zu treffen und die Effektivität von Gesundheitsprogrammen nachzuweisen. Anders als in klassischen Unternehmensbereichen wie Vertrieb oder Finanzen ist der Erfolg im BGM jedoch nicht so leicht messbar, da es sich um „weiche“ Faktoren handelt. KPIs bieten eine Grundlage, um den Fortschritt sichtbar zu machen und Maßnahmen zu optimieren.

Relevante KPIs im BGM

1.    Krankenstand und Fehlzeitenquote
Diese KPIs gehören zu den am häufigsten genutzten Kennzahlen im BGM. Sie geben Auskunft über die allgemeine Gesundheit der Belegschaft. Eine niedrige Fehlzeitenquote kann auf eine gesunde und motivierte Belegschaft hinweisen, während eine hohe Rate Anlass zur Sorge geben sollte. Allerdings sind diese Zahlen oft von vielen externen Faktoren beeinflusst und sollten daher nicht isoliert betrachtet werden.

2.    Fluktuationsrate
Eine hohe Fluktuation kann ein Indikator für Unzufriedenheit und Stress im Unternehmen sein. Wenn Mitarbeitende das Unternehmen häufiger verlassen, weil sie sich unwohl oder überfordert fühlen, ist dies ein klares Signal, dass Gesundheitsmaßnahmen überprüft und angepasst werden müssen.

3.    Nutzungshäufigkeit von BGM-Angeboten
Wie oft nehmen Mitarbeitende an Gesundheitskursen, Workshops oder Beratungen teil? Eine hohe Nutzung zeigt, dass das Angebot auf Interesse stößt. Doch Vorsicht: Eine geringe Teilnahmequote kann verschiedene Ursachen haben – von ungeeigneten Zeiten, bis hin zu fehlender interner Kommunikation.

4.    Mitarbeiterzufriedenheit und Engagement
Zufriedenheit und Engagement lassen sich durch regelmäßige Mitarbeiterbefragungen messen. Zufriedene und engagierte Mitarbeitende sind produktiver, weniger krank und bleiben länger im Unternehmen. Hier bieten sich auch spezielle BGM-Umfragen an, um direktes Feedback zu den Maßnahmen zu erhalten.

5.    Return on Prevention (RoP)
Der Return on Prevention gibt an, in welchem Verhältnis die Investitionen in Präventionsmaßnahmen zu den eingesparten Kosten durch reduzierte Fehlzeiten und Produktivitätsverluste stehen. Ein positiver RoP zeigt, dass sich die Investition in Gesundheitsmanagement langfristig auszahlt.
 

Die richtige Interpretation der Zahlen

Die Herausforderung liegt in der richtigen Interpretation dieser KPIs. Zahlen allein sind wertlos, wenn der Kontext fehlt. Es reicht nicht aus, einen niedrigen Krankenstand zu feiern oder eine geringe Nutzung der BGM-Angebote zu beklagen, ohne die Hintergründe zu kennen.

1.    Kontext beachten
Ist eine hohe Fehlzeitenquote vielleicht saisonal bedingt (z. B. Grippewelle)? Gibt es Veränderungen in der Arbeitsbelastung oder Struktur des Unternehmens? Werden neue Projekte eingeführt, die für mehr Stress sorgen?

2.    Vergleich mit Branchenspezifika
KPIs sollten stets im Vergleich zur eigenen Branche betrachtet werden. Eine Fluktuationsrate von 10 % kann in einem schnelllebigen Sektor normal sein, während sie in einem anderen Bereich auf gravierende Probleme hindeutet.

3.    Langfristige Trends analysieren
Einzelne Zahlen sagen oft wenig aus. Erst wenn man langfristige Trends analysiert, lassen sich Muster erkennen. Hat sich die Mitarbeiterzufriedenheit nach Einführung eines neuen Programms verbessert? Gibt es seit der Einführung eines BGM-Angebots eine Verringerung der Fehlzeiten?

4.    Qualitative Daten ergänzen
Zahlen sollten immer durch qualitative Daten ergänzt werden. Was sagen die Mitarbeiter in Umfragen oder in Einzelgesprächen? Welche Rückmeldungen gibt es von Führungskräften? So lässt sich ein umfassenderes Bild der Situation zeichnen.

Fallstricke und Fehlerquellen

Bei der Interpretation von KPIs gibt es einige häufige Fehler, die vermieden werden können:

1.    Überinterpretation einzelner KPIs
KPIs wie der Krankenstand oder die Teilnahmequoten sollten nie isoliert betrachtet werden. Sie liefern nur in Kombination mit anderen Kennzahlen und qualitativen Daten ein vollständiges Bild.

2.    Unzureichende Kommunikationsstruktur
Wenn KPIs nicht regelmäßig kommuniziert und diskutiert werden, bleiben Erkenntnisse oft ungenutzt. Die regelmäßige Analyse und Kommunikation der Ergebnisse sind entscheidend, um Maßnahmen zu justieren und die Belegschaft einzubinden.

3.    Mangelnde Anpassung an Unternehmensziele
KPIs sollten immer auf die spezifischen Ziele des Unternehmens abgestimmt sein. Ein Standard-Set an Kennzahlen reicht nicht aus, um die spezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse eines Unternehmens abzubilden.
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Von KPI zur Handlung

KPIs sind ein mächtiges Instrument im betrieblichen Gesundheitsmanagement, wenn sie richtig eingesetzt werden. Entscheidend ist, dass die erhobenen Daten nicht nur gesammelt, sondern auch analysiert und in konkrete Handlungen übersetzt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass das BGM tatsächlich zur Gesundheit der Mitarbeitenden und zum Unternehmenserfolg beiträgt.
Entscheider sind gefordert, BGM-Kennzahlen regelmäßig zu überprüfen und die Ergebnisse in ihre strategischen Überlegungen einzubeziehen. Nur so lässt sich gewährleisten, dass Maßnahmen nicht nur als Pflichtprogramm abgehakt, sondern als wertvolle Investition in die Zukunft des Unternehmens verstanden werden. Denn am Ende lügen die Zahlen tatsächlich nicht – aber sie erzählen auch nicht die ganze Geschichte.

Über die Autoren

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Portrait von Oliver Walle

Bastian Schmidtbleicher, Jurek Mähler und Oliver Walle - Mitglieder des ZP Think Tanks Corporate Health und Vordenker im Bereich Gesunde Arbeit mit langjähriger Erfahrung im Betrieblichen Gesundheitsmanagement und Expertise bei der Beratung von Unternehmen zur Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen.

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