Neugierde: Warum Unternehmen ohne sie sterben

10.10.2024 | Rebekka Ilgner | Lesezeit 10 Minuten

ein Mann in Blauen Hemd mit einer Lupe vor seinem Linken Auge
Quelle: Freepic

Das Wichtigste in Kürze

Neugierde ist eine entscheidende, oft unterschätzte Emotion, die den Unternehmenserfolg maßgeblich beeinflusst, indem sie Innovation, Problemlösungsfähigkeiten und Mitarbeiterbindung fördert. Um Neugierde im Team zu stärken, sind Sicherheit, Offenheit, respektvolle Kommunikation und die Akzeptanz von Fehlern notwendig, unterstützt durch empathische Führung.

Eine absolut unterschätzte Emotion: Die Neugierde. Selten findet sie in Unternehmen bewusst Beachtung oder wird gar gefördert. Dabei ist sie eines der wichtigsten Elemente für den Unternehmenserfolg - und für dein Leben generell. Warum das so ist und wie du sie in deinem Team fördern kannst, erfährst du hier.  

Ist Neugierde wirklich so wichtig?

Nehmen wir einmal an … 

Es ist 1998. Der Schlagersänger Gildo Horn gewinnt mit „Gildo hat euch lieb“ die Vorentscheidung für den Grand Prix. Du stehst in der Küche mit einer Ananas und stellst dir die Frage: „Wie schneide ich das Ding jetzt eigentlich auf?“ 

Vielleicht gehörst du zu denen, die mutig zum Messer greifen und ein bisschen rumexperimentieren. Oder du schmeißt die Ananas einfach auf den Boden und hoffst, dass sie dann platzt. Vielleicht versuchst du auch, jemanden anzurufen, findest ein Kochbuch auf dem Speicher oder bist einfach frustriert und beißt ins Butterbrot. 

Vielleicht hattest du gerade auch den Gedanken: „Ich hätte halt einfach gegoogelt, wenn ich es nicht wüsste.“ 

Nun ja, 1998 gab es Google in dieser Form noch gar nicht. 25 Jahre später allerdings, also im Jahr 2023, hat sich Google bei uns allen für unsere Neugierde bedankt. Denn sie konnten nur so groß werden, weil wir Menschen neugierig sind und Google Fragen gestellt haben. Die Daten hat das Team ausgewertet und gesehen: „Spannend, nach diesem bestimmten Begriff suchen viele Leute. Hier müssen wir noch mal ran.“ So berichtet Google selbst, dass im Jahr 2000 viele Millionen Menschen nach dem grünen Kleid, das Jennifer Lopez bei den Grammys trug, gegoogelt haben. Und alles, was damals angezeigt wurde, waren zehn blaue Links und kein grünes Kleid. 

Jetzt hätte Google sagen können: „Na, dann ist es halt so.“ Doch sie haben anders reagiert und sich direkt mit den Entwickler:innen zusammengesetzt und eine Lösung gefunden, wie sie auch Bilder auf die Webseite stellen können. 

Dadurch wurde Google Bilder geboren. Durch die Neugierde der Menschen und die Neugierde im Unternehmen, eine Lösung zu finden. 

Übrigens, man kann sogar so weit gehen und sagen, dass du ohne Neugierde vermutlich noch im Bettchen neben deiner Mutter liegen würdest und sie dich immer noch stillen würde. 

  • Wie hast du angefangen, Laufen zu lernen? Neugierde … 
  • Wie hast du angefangen zu essen? Neugierde … 
  • Wie hast du angefangen, Sprechen zu lernen? Neugierde … 
  • Wie hast du angefangen, Fahrradfahren zu lernen? Neugierde … 
  • Wie hat jedes deiner Hobbies begonnen? Neugierde … 

Was ist Neugierde?

Es gibt verschiedene Definitionen, doch alle beschreiben einen Wunsch, ein Verlangen, ein Interesse, Neues aufzudecken, Unbekanntes zu erforschen und neue Dinge zu erleben. 

Neugierde ist die Freude am Lernen, am Entdecken und am Lösen von Problemen. Denn wenn wir offen sind, überlegen, ein bisschen rumexperimentieren und ausprobieren kann Neues entstehen. 

Ohne sie hätten wir als Kinder niemals überlebt. 

Was bringt Neugierde für Unternehmen?

Für eine Harvardstudie aus dem Jahr 2022 wurden Führungskräfte weltweit gefragt, welche Eigenschaften Führungskräfte in der heutigen Zeit brauchen. Nach Adaptionsfähigkeit landete Neugierde auf dem 2. Platz. 

Doch wieso? Das zeigt z. B. die Neugier-Studie von Merck (2021): 

Erhöhte Innovationskraft:  

Neugierige Mitarbeitende sind ständig auf der Suche nach neuen Ideen und Lösungen. So wird in den innovativsten Unternehmen Neugierde als eine der wichtigsten Eigenschaften angesehen. 

Verbesserte Problemlösungsfähigkeiten:  

Neugierde fördert das kritische Denken und die Fähigkeit, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. So sind neugierige Mitarbeitende bessere Problemlöser:innen. 

Höhere Mitarbeiterbindung:  

Mitarbeitende, deren Neugierde gefördert wird, fühlen sich wertgeschätzt und sind eher bereit, dem Unternehmen treu zu bleiben. So haben Unternehmen, die in das Lernen und die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden investieren, häufig eine niedrigere Fluktuationsrate. 

Wie kann empathische Führung die Neugierde im Unternehmen stärken?

Empathische Führung spielt also eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Neugierde im Unternehmen. Empathische Führungskräfte verstehen die Bedürfnisse und Motivationen ihrer Mitarbeitenden und schaffen eine Umgebung, in der Neugierde gedeihen kann. Sie ermutigen ihre Teams, Fragen zu stellen, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. 

Vorteile empathischer Führung bei der Förderung von Neugierde: 

Schaffung eines sicheren Raums:  

Empathische Führungskräfte schaffen eine Kultur des Vertrauens, in der Mitarbeitende sich sicher fühlen, ihre Ideen zu äußern und Fragen zu stellen. So sind sie bereit, Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren. 

Förderung offener Kommunikation:  

Empathische Führungskräfte fördern offene und ehrliche Kommunikation. So können gemeinsam neue Ideen reflektiert und weiterentwickelt werden. Es entsteht ein Raum der gemeinsamen Kollaboration. 

Individuelle Unterstützung und Entwicklung: 

Empathische Führungskräfte erkennen die individuellen Stärken und Interessen ihrer Mitarbeitenden und unterstützen deren persönliche und berufliche Entwicklung. Sie erweitern ihre Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, andere Blickwinkel einzunehmen und innovativ zu sein. 

Was braucht es, damit Neugierde in deinem Team entsteht?

Wie sieht das Ganze in der Arbeitswelt aus? Was braucht es, damit deine Mitarbeitenden Neugierde entwickeln.

1. Sicherheit  

Sie müssen sich an ihrem Arbeitsplatz sicher fühlen. So sicher, dass sie Fragen stellen, „Kritik“ üben, Gegebenheiten und Änderungen kritisch hinterfragen. 

Denn wenn wir uns unsicher fühlen, wir uns in schwierigen Zeiten befinden, kein Vertrauen zur Führungskraft haben, dann verlassen wir uns auf Bewertes, Routinen und Gewohnheiten. Bereit, etwas Neues auszuprobieren, neugierig zu sein und zu forschen, sind Menschen dann, wenn sie sich wertgeschätzt fühlen, Rückendeckung haben und sich sicher fühlen. 

2. Offenheit und Respekt 

Auch in Meetings mit mehr als nur einem Team muss Respekt und Offenheit vorherrschen. Nur dann trauen sich Mitarbeitende, bestehende Prozesse, Aufgaben und Projekte zu hinterfragen und offen ihre Meinungen zu teilen. Sind die Meetingteilnehmer:innen voreingenommen, beurteilen und verurteilen direkt, dann wird niemand wagen, eine Frage zu stellen. 

3. Fehler 

Wer Neues ausprobiert, wird Fehler machen. Als Kind bist du auch nicht plötzlich aufgestanden und perfekt gelaufen. Du bist ständig hingefallen und wieder aufgestanden. So lange, bis du herausgefunden hast, wie es für dich funktioniert. 

Dieses „Trial-and-Error“ musst du auch deinen Mitarbeitenden zugestehen. Wenn niemand in deinem Team einen Fehler machen darf, wird er oder sie jede Situation vermeiden, wo es zu Fehlern kommen könnte. Damit stirbt alles Neue. 

Das heißt für dich: Wenn du bereits Führungskraft bist oder du ein Unternehmen hast, dann ist es für dich wichtig, eine Basis zu schaffen, die dein Team nährt, die Offenheit, Respekt und Sicherheit gewährleistet und Fehler erlaubt. 

Übrigens: Auch verschiedene Studien, u. a. die oben erwähnte von Merck und auch von McKinsey zeigen, dass Neugierde ein wichtiges Element für das Weiterkommen eines jeden Unternehmens ist. 

Wie kannst du Neugierde in deinem Team fördern?

Zunächst braucht es die oben beschriebene Basis, da andernfalls keine Neugierde entsteht. Hierbei hilft das Konzept der empathischen Führung, das genau darauf abzielt, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Mitarbeitende sicher, wertgeschätzt, gesehen, gefördert und verstanden fühlen. 

Daraus ergibt sich Neugierde oft von allein. Mit speziellen Neugierde-Meetings kannst du das Ganze noch fördern. Regelmäßig setzt ihr euch u. a. mit diesen Fragen auseinander: 

  • Wo stehen wir? 
  • Was funktioniert und was nicht? 
  • Wieso funktionieren manche Dinge noch nicht? 
  • Was braucht es, um noch effizienter zu werden? 
  • Warum macht Person A genau das und warum nicht anders? 

Fällt es dir schwer, empathisch zu führen und eine Kultur der Neugierde zu etablieren? Oder führst du bereits empathisch und bist interessiert an weiteren Tipps?  Dann wirf gerne einen Blick auf meine Webseite. Dort findest du viele Möglichkeiten, wie ich dich unterstützen kann. 

Über die Autorin

Bild von Rebekka Ilgner

Rebekka Ilgner

Rebekka Ilgner begleitet Unternehmen und Führungskräfte auf ihrem Weg zu einer inspirierenden Führungskultur. Mit ihrem Fokus auf Leichtigkeit, Mut, Struktur und Psychologie gestaltet sie Arbeitswelten, die nachhaltig begeistern und motivieren. Rebekkas Ansatz basiert auf ihrer Devise "Love it, change it or leave it", die sich in ihrem mutigen Handeln und ihren entschlossenen Entscheidungen widerspiegelt. Mit einer breiten Palette an Aus- und Weiterbildungen in Bereichen wie Psychologie, Coaching, Leadership und mehr bringt sie ein umfassendes Wissen ein, das sie als Speakerin und Beraterin nutzt.