Bewegung als Stresspuffer

09.07.2020 | MOOVE GmbH

Moove über Bewegung als Stresspuffer
Quelle: Pixabay.com

Wer Sport treibt kennt vielleicht das Gefühl der Ruhe und Klarheit, das sich oftmals während oder im Anschluss an eine Bewegungseinheit einstellt. Das Gefühl der Ausgeglichenheit überlagert schnell auch die Anstrengung und die nötige Überwindung.

Viele Menschen suchen dieses gute Gefühl ganz bewusst und nutzen Sport und Bewegung als eine Art Stresspuffer, der ihnen dabei hilft, die stressassoziierten negativen Gefühle zu reduzieren und den Alltagbelastungen zu trotzen und zu entkommen.

Doch wie lassen sich diese wahrgenommenen Effekte von Sport und Bewegung auf unser Stresserleben erklären? Und welche Ableitungen lassen sich daraus für die tägliche Arbeit im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung treffen?

Grundsätzlich entsteht Stress immer dann, wenn innere oder äußere Erwartungen oder Anforderungen die eigenen Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten ausreizen oder übersteigen. Dabei spielt insbesondere die individuelle Bewertung der Stressoren (= Stressauslöser) eine wichtige Rolle, da sie die Entstehung sowie die Intensität der Stressreaktion auf biologischer, kognitiver, emotionaler und verhaltensbasierter Ebene beeinflusst.

Stress wird auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen wahrgenommen.

Um diesen zu reduzieren, kann auf jeder dieser Entwicklungsstufen angesetzt werden. Für die Gesundheitsförderung im Betrieb lassen sich dabei folgende Möglichkeiten des Stressmanagements unterscheiden:

  • problembezogenes Stressmanagement: Setzt an den Ursachen an und versucht die Stressoren zu beseitigen

  • kognitives Stressmanagement: Versucht die individuellen Bewertungsprozesse zu hinterfragen und damit irrationale Bewertungen zu reduzieren
  • palliativ-regeneratives Stressmanagement: Setzt an den Folgen, somit an der Stressreaktion an und versucht diese abzumildern

Um die stressreduzierenden Effekte von Sport und Bewegung jedoch zu verstehen und für sich nutzen zu können, ist es hilfreich die verschiedenen Ansatzpunkte und Wirkmechanismen genauer zu identifizieren.

An der Ursache ansetzen

Die wirkungsvollste und nachhaltigste Form mit Stress umzugehen besteht sicherlich darin, direkt an der Ursache der Entstehung und somit auch am Beginn des Stressprozesses anzusetzen. Bildlich ausgedrückt ist es zielführender einen tropfenden Wasserhahn zu reparieren, als fortan einen Kopfhörer gegen die störenden Geräusche aufzusetzen.

Ähnlich verhält es sich mit gesundheitsbezogenen Stressoren, wie Schmerzen oder körperlichen und psychischen Erkrankungen, die gerade bei chronischem Verlauf eine extreme Belastung darstellen können. Da Sport und Bewegung erwiesenermaßen präventiv und rehabilitativ auf viele Risikofaktoren und Krankheiten wirken, lassen sich die Entstehung von gesundheitsbezogenen Stressauslösern durch Sport und Bewegung reduzieren oder gar verhindern.

Durch regelmäßige Bewegung wird also die Auftrittswahrscheinlichkeit eines zukünftigen Stressfaktors reduziert und sie kann somit als eine wirksame Investition in eine stressfreiere Zukunft gesehen werden.

Stärkung der eigenen Ressourcen und Veränderung der Bewertung

Doch was passiert, wenn sich ein Stressor nicht an der Ursache beheben und somit aus der Welt schaffen lässt? Ich diesem Fall findet ein unterbewusster Abgleich zwischen den eigenen Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten und den Anforderungen durch den Stressor statt. Die negativen Gefühle entstehen aber erst dann, wenn der Stressor die eigenen Ressourcen überschreitet und somit von unserem Körper als bedrohlich wahrgenommen wird. Der stressreduzierende Ansatz greift hierbei an der Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen an, um einen positiven Abgleich und eine positive interne Bewertung zu erreichen.

Zentrale gesundheitsförderliche Ressourcen sind unter anderem die Selbstwirksamkeit und die soziale Unterstützung. Menschen mit einer starken Ausprägung dieser beiden Ressourcen können grundsätzlich mit psychosozialen Stresssituationen in einer gesundheitsschützenden Weise besser umgehen als diejenigen mit schwächer ausgeprägten Ressourcen.

Die Selbstwirksamkeit beschreibt dabei den subjektiven und festen Glauben an die eigenen Fähigkeiten, auch mit schwierigen Herausforderungen erfolgreich umgehen zu können.

Durch Sport und Bewegung kann die allgemeine Selbstwirksamkeit durch verschiedene Mechanismen indirekt beeinflusst werden:

  • Körperliche Veränderungen mit positiver Wirkung auf das körperbezogene Selbstkonzept
  • Positive Kompetenzerfahrungen durch:
    • motorische Kompetenzerfahrung („ich bin ein guter Schwimmer“)
    • soziale Erfolgserlebnisse („Ich habe das Tennismatch gewonnen“)
    • individuelle Erfolgserlebnisse („Ich habe mein Wunschgewicht erreicht“)
    • Selbstkontrolle-Erfahrungen („Wenn ich mir etwas vornehmen, dann ziehe ich es auch durch“)
    • Autonomie-Erfahrungen („Ich kann mir bei Verspannungen nun selbst helfen“)

Für die Praxis im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderungen sollte auf diese Wirkmechanismen ein ganz besonderes Augenmerk gelegt werden, da eine positive allgemeine Selbstwirksamkeit auch für den beruflichen Erfolg und die berufliche Zufriedenheit eine wichtige Rolle spielt. Bei sport- und bewegungsbezogenen Interventionen wird empfohlen - neben den körperlichen Effekten - auch immer die psychologischen Aspekte zu beachtet und diese für die eigenen Ziele zu nutzen.

Aber auch die soziale Unterstützung kann durch Sport und Bewegung positiv beeinflusst werden. Das ist für Gruppensportler aber auch für jeden anderen von uns nicht schwer nachzuvollziehen, denn das gemeinschaftliche Training stärkt die Gruppenzugehörigkeit und den Gruppenzusammenhalt und fördert damit das Wohlbefinden eines jeden Einzelnen.

In belastenden Situationen können die entstandenen Beziehungen zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung führen und somit als Stresspuffer fungieren.

Wirkung von Sport und Bewegung auf die Stressreaktion

Werden die bisher beschriebenen Wirkmechanismen von Sport und Bewegung nun den drei Arten des Stressmanagements zugeordnet, wird klar, dass sie hauptsächlich den problemorientierten und kognitiven Ansatz unterstützen und somit auf Ebene der eigentlichen Stressentstehung wirken.

Doch wie lässt sich nun die eingangs beschriebene, abmildernde und ausgleichende Wirkung von Sport und Bewegung erklären? Warum hilft körperliche Aktivität vielen Menschen nach einem stressigen Arbeitstag runterzukommen und auch langfristig vielen Alltagssituation entspannter zu begegnen?

Auch diese Fragen lassen sich nicht mit einer einzigen Wirkungsweise erklären, sondern vielmehr mit der kombinierten Wirkung von Sport und Bewegung auf die kognitive, emotionale und physiologische Stressreaktion.

Die physiologische Stressreaktion

Interessanterweise sind die körperlichen Reaktionen bei intensiver Bewegung denen einer klassischen psychosozialen Stresssituation, wie z. B. einem wichtigen Bewerbungsgespräch sehr ähnlich. In beiden Fällen kommt es unter anderem zu einem Anstieg der Herzfrequenz, des Blutdrucks, zur Erweiterung der Lungen sowie zur Ausschüttung von verschiedenen Botenstoffen im Gehirn, die in unserem Körper diverse Emotionen und Handlungen hervorrufen.

Diese Übereinstimmung zwischen physiologischer und psychologischer Wirkungsweise wurden überführt, um den stresspuffernden Effekt von Sport und Bewegung zu erklären: Durch einen überschwelligen Belastungsreiz im Körper werden Anpassungsreaktionen ausgelöst, die nicht nur spezifisch auf den auslösenden Reiz (z. B. intensives Training), sondern auch unspezifisch auf andere Reize wirken.

Doch wie wirkt sich dies nun in der Praxis auf unsere psychologischen Reaktionen aus?

Die Anpassungen durch ein regelmäßiges körperliches Training, wie z. B. eine reduzierte Herzfrequenz und niedrigere Stresshormonlevel wirken ebenso auf kognitive oder psychosoziale Stressoren, wie öffentliches Reden oder Zeitdruck bei der Arbeit.

Zusammenfassend scheint der Grund, warum wir durch die tägliche Joggingrunde auch im Büro entspannter bleiben an einem Cross-over-Effekt zu liegen, der die Schwelle, bei der eine Stressreaktion auftritt, verändert.

Praxisrelevanz

Diese theoretischen Erkenntnisse können insbesondere bei Personen, die unter den Begleiterscheinungen einer intensiven Stressreaktion, wie starkem Erröten (Flushing), Schwitzen, Panic o.ä. leiden, eine starke praktische Relevanz haben.

Denn der Anstieg der Stresshormone bei trainierten Personen fällt im Vergleich zu Untrainierten signifikant geringer aus.

In Kombination mit dem Wissen, dass auch bereits einzelne, akute Sportaktivitäten eine Reduktion der Stressreaktion bewirken können, kann eine kurze Ausdauereinheit am Morgen oder in der Mittagspause vor einem wichtigen Meeting empfehlenswert und sinnvoll sein.

Kognitive und emotionale Stressreaktion

Sicherlich spielen neben dem Abpuffern der physiologischen Stressreaktion noch weitere Wirkmechanismen eine wichtige Rolle. So kann körperliche Aktivität beispielsweise helfen, kreisende Gedanken und Grübel zu reduzieren und über eine ablenkende Wirkung dabei unterstützen, den Kopf frei zu bekommen.

Auch die Wirkung auf emotionaler Ebene ist bereits sehr gut erforscht, denn wir wissen, dass körperliche Aktivität positive Emotionen fördert, Ängste reduziert und entfaltet selbst bei depressiven Störungen eine positive Wirkung.

Zusammenfassung und Handlungsableitung für die betriebliche Gesundheitsförderung

Zusammenfassend basiert die Funktion von Bewegung als Stresspuffer auf verschiedenen Wirkmechanismen, die auf der Ebene der Stressursachen (Stressoren), der Ressourcen und kognitiven Bewertungen sowie auf Ebene der Stressreaktion wirken.

Dabei können Sport und Bewegung präventiv der Entstehung von Schmerzen und Krankheiten und damit wichtigen Stressauslösern entgegenwirken. Außerdem können wichtige Gesundheitsressourcen, wie die Selbstwirksamkeit und soziale Unterstützung gefördert und die Stressreaktion auf physiologischer, kognitiver und emotionaler Ebene abgemildert und die Schwelle ihres Auftretens erhöht werden.

Diese unterschiedlichen Wirkmechanismen sollten bei der Planung von Projekten im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung beachtet und auf die anvisierten Ziele abgestimmt werden.

Um Stress zu reduzieren genügt es beispielsweise nicht, den klassischen Entspannungskurs anzubieten, wenn für das ursächliche Problem, wie z. B. soziale Isoliertheit im Team, ein bewegungsorientierter Gruppenkurs viel besser geeignet wäre.

Bewegungsorientierte Programme sollten außerdem stets individuelle Erfolgs- und Kompetenzerfahrungen ermöglichen, um die Selbstwirksamkeit als wirksame, stressmildernde Ressource zu nutzen und die Zufriedenheit zu steigern.

Entfernter kann das Wissen über die stresspuffernde Wirkung von Bewegung auch genutzt werden, um den Wunsch vieler Mitarbeiter nach Fahrradparkplätzen oder Duschmöglichkeiten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterstützen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Sport und Bewegung tatsächlich als ein Puffer gegen Stress wirken und als eine kostengünstige Investition in eine stressfreiere Zukunft gesehen werden können.

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