Reverse Recruiting – Die Personalbeschaffung der Zukunft?!
24.01.2020 | Pitch Club
Der Begriff „Reverse Recruiting“ ist in der Zeit des starken Fachkräftemangels in Deutschland und den weitreichenden Folgen der Digitalisierung mittlerweile nicht mehr unbekannt. Laut einer Studie von Indeed in Kooperation mit “KOFA” mit insgesamt 420 Unternehmen spüren knapp 90 % den Druck des stetig wachsenden Fachkräftemangels, insbesondere in den Bereichen IT, Naturwissenschaften oder Technik, immer deutlicher.
Qualifizierte Fachkräfte in eben jenen Bereichen können sich ihre Jobs und die Unternehmen mittlerweile selbst aussuchen und ignorieren meist unpersönliche Direktansprachen via Social Media, Xing oder LinkedIn. Immerhin verfolgt fast jedes zweite Unternehmen bereits eine langfristige und strategische Personalplanung, um mögliche Fachkräfteengpässe zumindest ein Stück weit eindämpfen zu können.
Zudem stieg auch die Anzahl der für die Rekrutierung zuständigen Personaler in den jeweiligen Unternehmen in den letzten drei Jahren deutlich an. Neben den weiterhin beliebten “Recruiting-Klassikern”, wie beispielsweise den (Online)-Stellenanzeigen, ist vielen Personalern inzwischen trotzdem klar, dass langfristig eine neue Strategie her muss, um talentierte Mitarbeiter gewinnen zu können (1).
Herausforderungen im Reverse Recruiting
Auf den Punkt gebracht bedeutet Reverse Recruiting, dass sich die Unternehmen bei den Fachkräften bewerben und so im Vergleich zum klassischen Bewerbungsprozess die Rollen der beiden Parteien getauscht werden. Dies ist, gerade für größere Konzerne und oftmals auch traditionell konservativ geprägte Unternehmen, eine völlig neue Erfahrung und birgt dementsprechend viele Gefahren.
Also worauf muss ein Unternehmen achten, um eine erfolgreiche Reverse Recruiting Strategie verfolgen zu können?
Zum Einen spielen die veränderten Bedürfnisse der Arbeitnehmer eine elementare Rolle, was insbesondere bei der Rekrutierung der jüngeren Generation ein entscheidender Faktor ist. Ausschließlich monetäre Incentives rücken immer mehr in den Hintergrund, von größerer Bedeutung sind nunmehr Faktoren wie Nachhaltigkeit oder Work-Life-Balance. Ein weiterer, wesentlicher Bestandteil des Reverse Recruiting ist die Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Nur knapp jedes vierte Unternehmen kommuniziert die Vorteile für Arbeitnehmer vorab offen und transparent, stattdessen wird dies lieber vertraulich bei einem ersten Kennenlernen besprochen. Doch genau diese Denkweise versucht das Reverse Recruiting zu durchbrechen, denn ein weiteres, wichtiges Stichwort zum Thema Reverse Recruiting lautet “Transparenz”.
Dies fordert die Unternehmen somit heraus, sich wichtige Fragen zu stellen: Was kann und will ich meinen Mitarbeitern bieten, was mich von anderen Unternehmen unterscheidet? Wo liegen mögliche Stärken, aber auch Schwächen im Unternehmen? Was sind die wesentlichen Bestandteile der Corporate Identity und welche Art Mitarbeiter passt in das Unternehmen? Die offene Kommunikation der Benefits und Corporate Identity, sowie dem Mut, sich eventuell auch unangenehmen Fragen der Bewerber zu stellen, ist also eine Grundvoraussetzung des Reverse Recruiting (2).
Mögliche Lösungen
Inzwischen existieren mehrere Reverse Recruiting Formate, wie beispielsweise Online-Plattformen (siehe z.B. honeypot.io, talent.io, 4scotty.com) oder Offline-Events (wie die Pitch Club Developer Edition im IT-Bereich).
Gerade die Pitch Club Developer Edition zeigt, wie erfolgreich Reverse Recruiting sein kann. Nach drei Jahren gab es bereits 42 Veranstaltungen an denen über 400 Firmen (z.B. SAP, Festo, TeamViewer, Porsche, Daimler, Roche, Rohde & Schwarz, Idealo, Otto Group, Codecentric, inovex, Capgemini, Chrono24, WetterOnline.de, Pro7Sat1, Real-Digital, Zooplus, Deutsche Bahn, PwC, Parship Elite Group & zahlreiche andere Unternehmen sowie Startups) und über 3.000 Softwareentwickler teilgenommen haben.
Das Konzept der Pitch Club Developer Edition: 10 Unternehmen, 60-80 Entwickler, 6 Minuten Zeit für jedes Unternehmen, innerhalb eines Pitches alles zu geben und das Unternehmen sowie die Jobs so attraktiv wie möglich darzustellen. Nach den Pitches geht es in 1-on-1 Gespräche, wo sich beide Parteien auf Augenhöhe ganz zwanglos austauschen können. Anschließend klingt alles mit einer Afterwork Party bei Snacks und Drinks aus.
Bei diesem Format liegen die Vorteile auf der Hand: Direkter und persönlicher Kontakt zu den Kandidaten, die Möglichkeit der ehrlichen und transparenten Selbstdarstellung des Unternehmens, sowie eine einfache und unkomplizierte Kommunikation zwischen beiden Parteien (3).
Fazit
Die Unternehmen in Deutschland stecken in dem Dilemma des immer größer werdenden Fachkräftemangels, der zum Umdenken im HR-Bereich animiert und dies auch verlangt. Das größte Problem in der Umstellung zum Reverse Recruiting besteht in der inneren Haltung gegenüber dem Bewerber. Denn bislang war es so, dass die Unternehmen am längeren Hebel saßen und sich dementsprechend verhielten. Dieser radikale Schritt in eine andere Richtung fordert vor allem Mut, sich von altbewährten Prozessen sowie Verhaltensweisen loszusagen und dem Bewerber auf eine neue Art und Weise zu begegnen – nämlich auf Augenhöhe. Die offene Kommunikation der Benefits und Corporate Identity, sowie die Hervorhebung im Vergleich zu anderen Unternehmen sind hier essentiell. Dieser Gedankengang sollte bereits bei der klassischen Stellenanzeige anfangen, sich wie ein roter Faden durch die Rekrutierungsstrategie des Unternehmens ziehen und durch die oben beschriebenen Reverse-Recruiting-Möglichkeiten – z.B. Teilnahme an Offline-Events und/oder Nutzung von Online-Plattformen – verstärkt werden.