Peer-Recruiting – wie Unternehmen Menschen gewinnen
22.02.2024 | Stefan Scheller | Lesezeit 5 Minuten
Das Wichtigste in Kürze
Peer-Recruiting hebt die Personalgewinnung auf ein neues Level. Nicht mehr nur die Personalverantwortlichen innerhalb HR sind dabei prozessual beteiligt, sondern vor allem Mitarbeitende im Unternehmen, die ähnliche Rollen innehaben wie die gesuchten Zielgruppen. Stefan Scheller beschreibt, warum dabei auch die Devise weiterhilft „Emotion vor Information“.
Recruiting auf Augenhöhe, Peer-Recruiting genannt, wird stark unterschätzt. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Die Grundsätze „Menschen gewinnen Menschen“ und „Emotion vor Information“ gelten vor allem bei der Personalgewinnung.
So lauten auch die Botschaften von HR-Manager und Keynote Speaker Stefan Scheller, mit denen er in zahlreichen Vorträgen und Keynotes Tausende Menschen inspirieren durfte. Was genau steckt nun hinter Peer-Recruiting?
Wer rekrutiert im Unternehmen?
Wer ist in Ihrem Unternehmen für Personalgewinnung zuständig?
Lautet Ihre Antwort: HR? Sind es Recruiter:innen in einer Expertenrolle? Sprechen wir über Führungskräfte oder das Top-Management? Oder gar „alle Mitarbeitenden als Markenbotschafter“?
Getreu der von mir in meinem Fachbuch „Praxisleitfaden erfolgreiche Personalgewinnung für KMU“ vorgestellten Formel
ERFOLG = ATTRAKTIVITÄT x SICHTBARKEIT
sorgen Personalmarketing-Kampagnen für ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Gerade in Zeiten, die den Gesetzen der Aufmerksamkeits-Ökonomie unterliegen, ist das eine immense Herausforderung. Getreu des AIDA-Funnels im klassischen Marketing, ist eine Kampagne allein aber noch nicht geeignet, um Menschen als Mitarbeitende für ein Unternehmen zu gewinnen. Personalmarketing sorgt zwar dafür, im sogenannten „relevant set“ zu sein, also als potenzieller Arbeitgeber generell in Frage zu kommen.
Am Ende sind es jedoch die Menschen innerhalb der Organisation, die ausschlaggebend sind.
Niemand will mit HR sprechen. Außer HR.
Mein Ausspruch „Niemand will mit HR sprechen. Außer HR.“, erzeugt bei Vorträgen meist erst einmal Lacher. Mit meinen weiteren Ausführungen wird in der Regel jedoch allen schnell klar, was ich damit meine. Im Recruiting werden Menschen von Menschen gewonnen, die im Unternehmen bereits vergleichbare Positionen und Jobs einnehmen und anderen „fachlich auf Augenhöhe“ begegnen. Will heißen: Softwareentwickler:innen begeistern Softwareentwickler:innen, Azubis gewinnen Azubis usw.
Und seien wir ehrlich: Bei der Azubigewinnung will niemand einen angegrauten Mann wie mich sehen. Außer dann, wenn es um die Ansprache der Eltern geht. Aber das bestätigt meine These zum Peer-Recruiting: Denn dann erfolgt die Ansprache ebenfalls „auf Augenhöhe“ – von Eltern zu Eltern sozusagen.
Vorteile des Peer-Recruiting Ansatzes: Recruiting auf Augenhöhe
Die Vorteile des Peer-Recruiting-Ansatzes liegen in der deutlich höheren Glaubwürdigkeit der Gesprächspartner. Wenn eine hochrangige Führungskraft Aussagen über das Unternehmen, die Arbeit in der Abteilung oder dem Team treffen, sind diese sicherlich wertvoll. Aber Hand auf´s Herz: Wenn potentielle Azubis die Möglichkeit haben, mit ihresgleichen mal -in Jugendsprache- über das Arbeiten im Unternehmen zu sprechen, übertrifft das die Glaubwürdigkeit und damit den positiven Recruiting-Effekt bei Weitem.
Markenbotschafter und Corporate Influencer einsetzen
Das Ganze lässt sich auch organisatorisch systematisieren. Unternehmen sprechen neben dem Begriff „Markenbotschafter“ immer häufiger auch von „Corporate Influencern“. Die Schlagkraft von Mitarbeitenden (und Führungskräften), die als persönliche Botschafter:innen für das Unternehmen im Personalmarketing und Recruiting aktiv werden, wird trotzdem häufig noch unterschätzt.
Auf Markenbotschafter:innen im Rahmen von Peer-Recruiting zu verzichten, ist hingegen fahrlässig.
Von Sympathie- und Abstrahl-Effekten im Recruiting
Es gibt zudem einen sehr hilfreichen Sympathie- und Abstrahl-Effekt im Recruiting. Denn wenn via Peer-Recruiting auf fachlicher Augenhöhe kommuniziert wird, repräsentiert das Gegenüber der Bewerbenden das gesamte Unternehmen. Das Erleben der via Employer Branding abstrakt aufgebauten Arbeitgebermarke wird massiv beeinflusst vom Erleben kompetenter und sympathischer Ansprechpersonen beim Peer-Recruiting.
Was potentielle Kandidat:innen von diesen Peers, die schon im Unternehmen arbeiten, wahrnehmen, was sie über diese denken und vor allem fühlen, strahlt maximal auf die Wahrnehmung des Arbeitgebers ab.
Das ist fast ein wenig verrückt, weil natürlich diese eine Begegnung -außer in ganz kleinen Unternehmen- in den allerwenigsten Fällen so etwas wie „repräsentativ“ ist. Jedoch habe ich den Effekt oft genug in der Praxis erlebt und vertraue darauf.
Keine Stellenanzeigen-Postings
Wenn wir über Online-Aktivitäten von Markenbotschaftern oder Corporate Influencern sprechen, betone ich immer wieder, dass das sogenannte Personal Branding wichtig ist. Natürlich können allgemeine Marketing- oder Personalmarketing-Inhalte einfach gepostet oder verwendet werden. Ebenso Stellenanzeigen.
Aber mal ehrlich: Niemand möchte (noch mehr) Stellenanzeigen im eigenen Social Media Feed lesen! Natürlich hilft das vereinzelte (!) Einstreuen von Job-Postings der Sichtbarkeit entsprechender Positionen.
Denn Reichweite auf Social Media aufzubauen, funktioniert nur dann, wenn die Inhalte für die erreichten Menschen tatsächlich hilfreich sind. Und bestenfalls auch persönliche beziehungsweise emotionale Komponenten aufweisen.
Und egal ob wir immer noch daran glauben, dass wir bei der Jobsuche rein rationale Entscheidungen treffen: Bei der Mehrzahl unserer Entscheidungen agieren wir erst einmal emotional.
Emotion vor Information!
Auf den Punkt bringen könnte man meine Erfahrung mit „Emotion vor Information!“. Denn darum geht es im Peer-Recruiting: Ein emotionales Signal zu setzen im Sinne von „Ich verstehe Dich“ („Ich bin Dein Peer und weiß, wovon Du redest“). Alles Weitere kann folgen.
Nutzen Sie im Rahmen Ihrer Personalmarketing- und Recruiting-Aktivitäten also viele emotional aktivierende Inhalte und hoffen Sie nicht darauf, dass Ihnen aufgrund einer abstrakten Personalmarketing-Kampagne die Bewerbenden „die Bude einrennen“. Setzen Sie stattdessen bewusst auf eine persönliche Kommunikation der Mitarbeitenden.
Denn – sie ahnen es bereits – Menschen gewinnen Menschen.
Zahlreiche Praxisbeispiele und wertvolle Tipps zur Personalgewinnung gibt es auch auf der HR-Lernplattform PERSOBLOGGER CLUB.
FAQS
Wie sollten Unternehmen Peer-Recruiting in der Praxis einsetzen?
Nur ein paar Beispiele von vielen:
- Nutzung von Fachbereichen auf Messen, Events und Veranstaltungen statt HR bzw. gemeinsam mit HR
- Zielgruppen-adäquate Kommunikation online bzw. offline (Stichwort z.B. Azubi-Teams in Schulen)
- Recruiting-Prozess-Stufe: Gemeinsamer Kaffee von Bewerbenden zusammen mit dem potentiellen neuen Team
- Personalisierte Stellungnahmen auf kununu (Gesicht zeigen)
- Speaker-Einsätze von Fachexpert:innen auf Konferenzen
Immer dort, wo eine Organisation durch einzelne Menschen repräsentiert werden kann, liegen die Stärken im Peer-Recruiting. Denn -ich wiederhole das gerne nochmals- Menschen gewinnen Menschen!
Ist HR damit aus dem Recruiting-Prozess raus?
Nein, das definitiv nicht. Die Expertise von Menschen mit HR-Expertise ist essenziell. Oft sind Fragen der Jobsuchenden zu klären, die Rahmenbedingungen wie Vergütung, Arbeitszeiten und vieles mehr betreffen.
Aber dem tatsächlichen (emotionalen) Gewinnen der Menschen liegt immer häufiger Peer-Recruiting zugrunde.
Wie kann ich mehr über Personalgewinnung erfahren?
Im PERSOBLOGGER CLUB trifft sich eine HR-Community aus unterschiedlichsten Unternehmen quer durch Deutschland. Gemeinsam lernen wir in verschiedenen Sessions mit externen Top-Speaker:innen zum Thema Fachkräftegewinnung und untereinander.
Als Gastgeber bringt sich Persoblogger Stefan Scheller mit seinem immensen Wissen rund um Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting persönlich aktiv ein.
Jetzt im PERSOBLOGGER CLUB informieren