Ralf Neuhäuser – Fortschritt, der unter die Haut geht
04.02.2019 | Miriam Appel
“We become what we behold. We shape our tools and then our tools shape us.”
Was Marshall McLuhan bereits in den 1960er Jahren beschreibt, ist heute, über 50 Jahre später, unbestritten: Medien und Technik bestimmen unser Leben in höchstem Maße. Mehr noch, sie werden zur untrennbaren Erweiterung des Menschen. Bereits über Jahre hinweg prägen Technologien menschliche Prozesse.
Heute ist bereits ein Punkt erreicht, an welchem die Digitalisierung zum unabdingbaren Teil menschlichen Lebens wird. Automation, Künstliche Intelligenz, Robotik: Die mit dem digitalen Wandel verbundenen Konsequenzen öffnen vielfältige Wege, unseren Alltag, die Arbeitswelt, die Gesellschaft sowie unsere Kultur und Denkweisen maßgeblich zu verändern. Innovation und Produktivitätssteigerung gelten dabei als charakteristisch für die digitale Transformation.
Das Ausmaß dieser Entwicklung wird wohl am deutlichsten bei der Betrachtung von Human Cyborgs. Der Cyborg, per Definition also „die technische Erweiterung eines Lebewesens“, vereint innovative Technik mit menschlicher Expertise.
Im Gespräch mit Digital Pionier und Human Cyborg Ralf Neuhäuser
Ralf Neuhäuser, Botschafter des Factory Campus Startup Hub in Düsseldorf, ist einer dieser „Human Cyborgs“, die sich mithilfe von technischen Implantaten das Leben vereinfachen möchten. Bereits seit 2017 hat er mit dem Einsetzen des ersten etwa reiskorn-großen Mikrochips seine persönliche digitale Transformation begonnen und testet seitdem, wie solche Technologien unseren Körper verbessern und unseren Alltag unterstützen können. Ihm ist es nun beispielsweise möglich mit seinen Händen allein Türen zu öffnen, Netzwerkdrucker zu benutzen, Elektrofahrräder zu entsperren oder seine Notfalldaten zu speichern. So bekommt es eine neue Bedeutung die Visitenkarte stets „zur Hand“ zu haben.
Wir haben dem Pionier fünf Fragen gestellt, um mehr über die digitale Zukunft aus Sicht des Cyborgs zu erfahren.
Herr Neuhäuser, bitte beschreiben Sie den Arbeitsplatz von morgen in Kürze:
DEN Arbeitsplatz wird es nicht mehr geben. Viele Berufe werden den Freiraum zur flexiblen, kreativen Gestaltung der Arbeitsumgebung ermöglichen. Die Bindung an einen Ort nimmt ab. Diese Freiheit bedeutet wie immer auch die Verantwortung, sie sinnvoll zu nutzen.
Der Roboter mein Chef? Für wie realistisch halten Sie diese Vision?
Als Chef sehe ich ihn so schnell noch nicht, aber als Kollegen kann ich ihn mir sehr gut vorstellen – möglicherweise sogar inkl. einer sozialen Komponente. Warum soll nicht ein intelligentes System auch eine Art „Kumpel“ werden, mit dem auch eine gewisse Interaktion möglich ist? In manchen Bereichen wird damit ja schon experimentiert. Nur mit dem gemeinsamen Feierabendbier dürfte es noch schwierig bleiben.
Wie digital darf die Arbeitswelt von morgen aus Ihrer Sicht sein?
Ich sehe da keine Einschränkungen. Ich versuche immer zuerst die Chancen zu sehen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Was nicht heißt, dass wir die ökonomischen, politischen und sozialen Risiken ignorieren dürfen. Z.B. erfordert ein hoher Grad an Automatisierung womöglich eine Robotik- oder AI/KI-Abgabe zur Sicherung eines Grundeinkommens derer, die ihr Erwerbseinkommen verlieren und sich neuen Tätigkeitsbereichen widmen wollen. Und selbstverständlich muss Transparenz herrschen, wer was mit den welchen Daten anstellt.
"Ein hoher Grad an Automatisierung erfordert eine Robotik- oder KI-Abgabe zur Sicherung eines Grundeinkommens derer, die ihr Erwerbseinkommen verlieren und sich neuen Tätigkeitsbereichen widmen wollen."
Transparenz ist unabdingbar. Möglichst viele Daten sollten möglichst offen liegen. Das schützt auch vor Hoheiten und Missbrauch. Ich spreche nicht vom totalen Ende der Privatsphäre, aber ein Stück weit sollten wir uns dran gewöhnen, dass die Vorteile der Digitalisierung mit der Preisgabe eines Teils der persönlichen Anonymität bezahlt werden.
Bitte vervollständigen Sie „die Transformation der Arbeitswelt gelingt nur …“
… mit dem Willen zur persönlichen Veränderung aller Beteiligten – ausdrücklich inklusive der Führungsebenen, wo es nicht selten hapert. First Mover und Early Adopter sehe ich bei Entscheidern eher selten.
Zurück in die Zukunft: Welchen Rat hätten Sie rückblickend betrachtet den Unternehmen vor 5 Jahren gegeben?
Den deutschen Unternehmern? Fuß von der Bremse! Wollt Ihr immer häufiger auf Rücklichter schauen? Aber nehmt die Menschen mit, die Euch tragen – Mitarbeitern wie Kunden muss die Angst, abgehängt zu werden, genommen werden.