Menschliche Singularität - Alexandre Pachulski im Interview

27.08.2019 | Redaktion Zukunft Personal

Menschliche Singularität - Alexandre Pachulski im Interview
Quelle: Andy Kelly

Alexandre Pachulski ist Mitbegründer von Talentsoft. In seiner Rolle als Keynote Speaker auf der Zukunft Personal Europe 2019 stellt er seine Vision und den Platz des Menschen in der Ära der Maschinen und der künstlichen Intelligenz vor. Vorab spricht er im Interview über sein Ziel, ein kollektives Projekt neu zu definieren, das ausgesprochen menschlich ist. Dabei spielt die Menschliche Singularität ein herausragende Rolle.

 

1. Wie definieren Sie Singularität im Zusammenhang mit HR und künstlicher Intelligenz?

„Singularität ist die Summe aller Fähigkeiten, Eigenschaften und Werte, die eine Person ausmachen.

Wenn wir über Singularität und künstliche Intelligenz sprechen, meinen wir meist technologische Singularität. Technologische Singularität bedeutet, dass wir nicht mehr erkennen, ob wir mit einem Menschen oder einer Maschine sprechen. Von dieser ‚echten KI‘ sind wir noch weit entfernt. Aktuell können wir künstliche Intelligenz jedoch nutzen, um die Einzigartigkeit jedes Einzelnen zu entdecken und zu fördern – dies birgt besonders im HR-Bereich für Personalverantwortliche großes Potential.“

2. Glauben Sie, dass in der digitalen Zukunft der Fokus auf die Individualität einzelner Mitarbeiter weiterhin Bestand haben wird?

"Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bedeutung der Individualität der einzelnen Mitarbeiter sogar noch weiter zunehmen wird. - Alexandre Pachulski, Talentsoft"

„Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bedeutung der Individualität der einzelnen Mitarbeiter sogar noch weiter zunehmen wird.

Unternehmen stehen aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts vor neuen Herausforderungen. Die meisten Arbeitsplätze, die wir im Jahr 2030 haben werden, existieren noch nicht einmal. Wenn Unternehmen also weiterhin ihre Leistungsfähigkeit halten wollen, dürfen sie im Recruiting nicht mehr nur den Qualifikationsfilter anwenden. Sie müssen im Bewerbungsprozess eine Persönlichkeit identifizieren, die sich harmonisch in ein bereits bestehendes Kollektiv integrieren kann. ‚Was treibt Sie an?‘ oder ‚Wie wollen Sie Verantwortung für diese Aufgabe übernehmen?‘ sind dabei weitaus bedeutendere Fragen als die nach dem akademischen und beruflichen Werdegang. Individualität zählt, Kästchen abzuhaken ist von gestern.“

3. Welche Rolle spielt Leadership in diesem Prozess?

„Der Schlüssel zum Erfolg ist ein Umfeld, das jeden Mitarbeiter ermutigt, sich frei zu entwickeln. Das kann nur geschehen, wenn jeder Einzelne in der Lage ist, Emotionen auszudrücken. Talentmanager können in diesem Prozess sehr hilfreich sein, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, offen ihre Meinung auszusprechen. Hier gilt es in Führungspositionen mit gutem Beispiel voranzugehen.

"Der Schlüssel zum Erfolg ist ein Umfeld, das jeden Mitarbeiter ermutigt, sich frei zu entwickeln."

Ein vertrauensvolles Umfeld ist auch beim Bewerbungsgespräch essentiell. Personaler haben darin die Rolle eines Coaches, insbesondere, wenn es um die Ergründung der persönlichen Motivation sowie die Integration individueller Talente in ein Team geht.“

4. Welche Vorteile sehen Sie in der stetigen Weiterentwicklung von KI für Arbeitnehmer?

„Der rasante technologische Fortschritt erfordert mehr denn je kritisches Hinterfragen, Autonomie und besonders Kreativität. Soft Skills sind gefragt.

Im Personalwesen ermöglicht uns KI, Profile zu finden, die wir aufgrund konstruierter Vorurteile nicht in Betracht ziehen würden. Wenn die Daten zum Zweck der persönlichen Entwicklung und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz eingesetzt werden, fördern sie zudem eine persönlichere Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.“

"Wenn die Daten zum Zweck der persönlichen Entwicklung und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz eingesetzt werden, fördern sie zudem eine persönlichere Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern."

5. Welche Voraussetzungen sind nötig, um die eigene Singularität im Arbeitsumfeld entwickeln zu können?

„Prinzipiell sollten Motivationen stets Vorrang vor Fähigkeiten erhalten. Und auch Emotionen sollten einen prominenten Platz im Arbeitsumfeld einnehmen dürfen. Die Botschaft soll lauten, mutig zu sein, persönliches Talent einzusetzen.

Der Schlüssel hierfür ist wiederum ein vertrauensvolles und empathisches Umfeld, in dem Risikobereitschaft geschätzt wird. Die Förderung des individuellen Wohlergehens beschleunigt dabei sowohl die individuelle als auch die kollektive Entwicklung. Angesichts des Wertewandels unserer Gesellschaft bedeutet das für Unternehmen einen starken Leistungshebel.“

6. Sie raten, sich nicht von alarmierenden Vorhersagen über die Zukunft der Arbeit zu fürchten. Gibt es dennoch Entwicklungen, denen Sie kritisch entgegenblicken?

"Wenn ein Personaler Lebensläufe nur nach der Anzahl der Studienjahre oder Zertifizierungen bewertet, ist das längst roboterhaftes Verhalten."

„Immer wieder liest man, dass der Mensch bald durch leistungsstarke Maschinen ersetzt wird. Dabei sind doch einige von uns bereits Roboter, wissen es nur noch nicht.
Wenn ein Personaler Lebensläufe nur nach der Anzahl der Studienjahre oder Zertifizierungen bewertet, ist das längst roboterhaftes Verhalten. Die sorgfältige Berücksichtigung der Individualität jedes Einzelnen und das Vertrauen auf den Instinkt im Bewerbungsprozess unterscheidet uns schließlich.

Es ist gut möglich, dass KI eines Tages eine Form von Intuition entwickeln kann, weil sie Verhaltensmuster erkennt. Doch in Zeiten, in denen Individualität einen hohen Stellenwert hat, sind Kreativität und Intuition viel mehr als nur ‚Muster‘, die von Maschinen erkannt werden können. Maschinen agieren aufgrund von Berechnungen, Menschen aufgrund von Verständnis und Bestimmung. Maschinen haben Objektivität, Menschen wiederum Leidenschaft. Anstatt Maschinen zu fürchten, sollten wir lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten!“

Über Alexandre Pachulski

Foto von Alexandre Pachulski

Alexandre Pachulski ist Mitbegründer und CPO von Talentsoft. Der promovierte Informatiker verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung in den Bereichen Personalmanagement und IT. Überzeugt, dass die Kombination von Ausbildung und Technologie die Welt verändern kann, beteiligt er sich an der Gründung einer Schule in Frankreich zu Förderung der Talententwicklung von Kindern. In seinem aktuellen Buch teilt er seine Vision der „Human Singularity“ in einer sich verändernden Arbeitswelt.