Über KI, Chatbots und den virtuellen Messeguide - im Interview mit Beate Bruns
24.09.2020 | Miriam Appel
Gemeinsam mit der time4you GmbH hat Zukunft Personal den Chatbot "ZUPY" entwickelt. ZUPY ist der virtuelle Messeguide der ZP Europe Virtual gibt er den Besucherinnen und Besuchern eine Orientierungshilfe auf dem digitalen Messegelände und vereinfacht dadurch das Messeerlebnis.
Das Thema Künstliche Intelligenz ist nicht mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken. Wir haben mit Beate Bruns, der Geschäftsführenden Gesellschafterin der time4you GmbH über KI, Chatbots und den virtuellen Messeguide gesprochen.
Frau Bruns, in Ihrem Unternehmen entwickeln Sie maßgeschneiderte digitale Lösungen für die Bereiche E-Learning, Personalentwicklung und Weiterbildung. Was schätzen Sie besonders an Ihrem Job und Ihrer Branche?
Wie Menschen lernen und wie sie gut lernen, fasziniert mich schon sehr lange. Und da ich doch recht technikaffin bin, finde ich es sehr spannend, wie digitale Tools dieses Lernen unterstützen und streckenweise sogar besser abbilden als Präsenzformate. Als Unternehmerin freue ich mich, theoretische Überlegungen auch in die Tat umzusetzen und zu schauen, was wirklich funktioniert und das weiter zu entwickeln. Und was die Branche betrifft: die Innovationsfreude und Dialogbereitschaft so vieler Beteiligter, Stakeholder und Anwender sind eine echte Bereicherung!
Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Eine Arbeitswelt ohne KI…
... ist wie eine Lampe mit Glühbirne statt LED.
... ist schon jetzt eine Illusion.
Auf den Punkt gebracht: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Potentiale aber auch Risiken von KI?
KI kann "unheimlich" viel! KI-Werkzeuge sind der nächste große Schritt in der Werkzeugentwicklung und übernehmen damit viele Aufgaben, die wir Menschen aktuell noch selbst erledigen. Sowohl im physischen Bereich (denke an Roboter) als auch im kognitiven/psychischen Bereich. Das löst wie immer in der Geschichte der Menschheit Ängste aus - in der Übergangsphase - und setzt auf der anderen Seite Kräfte frei. Für Entwicklungen, die wir jetzt noch nicht gut absehen können.
Was ich unnötig finde: die Mystifizierung "der KI". KI kann auch vieles (absehbar noch) nicht, was ihr heute zugeschrieben wird.
KI in der HR-Praxis: Was sagen Sie, wie sieht der Status quo in deutschen Unternehmen aus?
Das grundsätzliche Interesse ist da, die Realität hinkt hinterher. Allerdings ist zu vermuten, dass Corona nicht nur die Digitalisierung allgemein befördert, sondern auch den Einzug von KI-Tools. Der Recruiting-Bereich ist in vielen Punkten schon am weitesten, mit (teil)automatisierter Bewerberauswahl und Stellenmatching, aber auch Beratung per virtueller Assistent:innen o.ä. Und es gibt schon mehr KI "unter der Haube" der HR-Software als es bisher wahrgenommen wird. So zum Beispiel bei Fragen der Workflow-Optimierung, bei Learning Analytics, bei automatisierter Planung wie zum Beispiel der Terminplanung.
In welchem Bereich sehen Sie diesbezüglich den größten Nachholbedarf?
Im E-Learning haben die Anbieter schon viele interessante Ansätze, Tools und Ideen, die nur darauf warten, endlich auch gemeinsam mit den Anwendern umgesetzt zu werden!
Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Einsatz von KI im Learning-Bereich: Was bieten Lernbots, was klassische Weiterbildungsformate nicht können?
Ein Chatbot simuliert besser als jede andere mediale Form ein menschliches Gespräch. Gar nicht zu verhindern ist, dass die Benutzer:innen den Chatbot als "Person" im weitesten Sinne empfinden, als quasi-menschliches Gegenüber. Wenn der Chatbot gut konzipiert ist, weiß er das zu nutzen, um den Kontakt zu den Benutzer:innen zu vertiefen, sie in das Gespräch zu verwickeln, ihr Interesse und ihre emotionale Beteiligung zu steigern.
Auch auf der ZP Europe Virtual wird ein Chatbot zum Einsatz kommen, um den Teilnehmenden als "virtueller Messeguide" Anregungen für den Besuch der Messe zu geben und damit ein vertieftes Messeerlebnis zu ermöglichen. Ist ein Bot der bessere Messeguide?
Auf der virtuellen Messe: unbedingt!! Besser ein virtueller Messeguide als gar keiner ... Aber im Ernst – was im übrigen für jede KI und viele Anwendungssituationen zutrifft: Chatbots und menschliche Guides ergänzen sich. Menschen sind immer noch viel besser darin, im Gespräch flexibel und spezifisch auf ihr Gegenüber einzugehen. Dafür ist der Chatbot gut darin, viele Menschen gleichzeitig zu beraten, und er verliert dabei nie den Überblick oder die Geduld. Außerdem ist der Chatbot nie müde ... Und wenn Sie bedenken, dass sich schätzungsweise 80% der Gespräche um wenige, immer wiederkehrende Fragen und Anliegen drehen, kann der Chatbot schon eine Menge leisten.
Welche Vorteile für die Besucher:innen sehen Sie in der Anwendung?
Stellen Sie sich vor, Sie treten in eine große Messehalle und sind erst einmal völlig überwältigt von der Größe und der Menge der Stände und Menschen, die Sie sehen, und wissen erst einmal gar nicht, wo Sie anfangen sollen. Und da kommt dieser Messeguide und bietet Ihnen an, Ihnen zu helfen. Und nicht nur das, sondern er hat auch ein paar ganz persönliche Tipps für Sie, was Sie seiner Ansicht nach nicht verpassen sollten auf der Messe. Das ist es, was der virtuelle Messeguide bietet: Orientierung, aber auch eine persönliche Sicht auf das Geschehen, die für weitere eigene Erkundungen inspiriert. Das ist dann auch auf der Präsenzmesse ein große Hilfe: der Messe-Buddy auf meinem Smartphone, der mir in der realen Halle, in der echten Messesituation ganz einfach und schnell hilft.
Sie haben kürzlich einen Preis für Ihren Chatbot „Kim“ erhalten. Welche Tipps geben Sie Unternehmen bei der Erstellung eines eigenen Chatbots?
Der wichtigste Tipp ist immer wieder: Investieren Sie genug Zeit in die Konzeptionsphase! Virtuelle Assistent:innen sind nur dann gut, wenn sie wirklich adäquate Gesprächspartner sind. Dazu ist es notwendig, sie auf den tatsächlichen Anwendungskontext und auf ein konkretes Ziel hin zu entwickeln. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist Klarheit über den Anwendungsfall, die Zielsetzung und die Zielgruppe. Eine eigene Persona macht den Chatbot unverwechselbar und lässt ihn im Dialog mit den Benutzer:innen noch menschlicher wirken. Und ganz große Texterkunst ist es, gute Dialoge zu entwickeln, mit sachlich korrekten Inhalten und einer Gesprächsführung, die den menschlichen Dialogpartner involviert.
Was macht für Sie eine zeitgemäße, innovative virtuelle Veranstaltung aus?
Ein Programm, das die Besucher kontinuierlich in den Bann zieht. Bei Messen: Eine Messe, die die Aussteller so präsentiert, dass die Besucher die virtuellen Messestände auch wirklich besuchen, sich dort gerne aufhalten und Werte finden, die ihnen die Anbieter-Website nicht bieten kann. Die einzelnen Elemente intelligent miteinander verknüpfen, sodass ein ganzheitliches Erlebnis entsteht. Dafür braucht es wohl auch viele ästhetische und emotionale Komponenten. Da lernen wir mit jedem virtuellen Event viel dazu und haben alle gerade in den letzten Monaten eine steile Lernkurve hingelegt.
Auf die Zukunft Personal Europe Virtual 2020 bin ich also schon sehr gespannt und freue mich darauf!
Herzlichen Dank!