Wie Unternehmen das Thema Diversity spielerisch erlernen können
Renate Eck | 05.09.2023 | 5 Minuten Lesezeit
Interview mit Tobias Grewe, Speaker und Narrativ-systemischer Organisationsentwickler
Tobias Grewe, Sie sind Narrativ-systemischer Organisationsentwickler und Coach und haben gemeinsam mit Pivi Scamperle die Erfinder:innen des ersten systemisch-narrativen Diversity-Spiels für Workshops. Vielfalt wird zunehmend als wichtiger Faktor für erfolgreiche Organisationen und Unternehmen erkannt. Warum ist es so essenziell, Vielfalt zu fördern und zu leben?
Es gibt hier zwei Aspekte, die wichtig sind. Unsere Welt ist so komplex geworden – wir sind nicht mehr VUCA, sondern die Welt um uns herum ist BANI (Brittle, Anxious, non-linear, incomprehensible). Gerade die neuen Generationen suchen Purpose und Sinn in Dingen, die sie mit ihrer Arbeit tun und darüber hinaus das Gefühl der Zugehörigkeit. Oder mit einfacheren Worten: Jede Person möchte mit ihrer Arbeit „Teil einer guten Geschichte sein“. Zugehörigkeit entsteht nur dann, wenn Unternehmen Menschen ermöglichen Arbeit als „positives Erlebnis“ zu erfahren. Das gelingt nicht, wenn Menschen nicht unfallfrei durch den ihren Arbeitstag kommen – sprich ohne irgendwelche Diskriminierungs-Erfahrungen. Wir beobachten, dass immer mehr Unternehmen über interne Netzwerke, aber auch Dialog-Möglichkeiten der Vielfalt Raum geben wollen. Wir setzen bei Organisationen genau da an, um individuelle strategische Ansätze zu entwickeln, Formate, Programme sowie im ersten Schritt Dialog-Räume zu konzipieren für neue Erfahrungen und Bewusstmachung.
Welche konkreten Maßnahmen oder Strategien können Organisationen implementieren, um eine Kultur der Vielfalt zu etablieren?
Gerne geben wir hier kurze Impulse, die sicher aber keine „Copy-Paste Schablone“ darstellen, um alles zu lösen. Strategien, sind für jede Organisation individuell und basieren auf einer individuellen Analyse. Lernen und Verstehen ist bei jedem immer der erste Schritt. Empathie ist da sehr wichtig. Dazu empfehlen wir im ersten Schritt immer „die Multi-Perspektive des Teams bzw. der Teilnehmenden in den Raum zu holen“. Als Tool of Choice nutzen Pivi und ich dazu die Narrative Methode der „Ereigniskurve“ von Flanagan. Sie holt über erlebte Highlights und Lowlights Erfahrungen der beteiligten Personen in den Raum, wie Vielfalt über einen gewissen Zeitraum erlebt wurde. Über die Visualisierung sowie die individuellen Erzählungen können wir einen Raum des Zuhörens gestalten und sammeln so die Wahrnehmungen und Erlebnisse. Die Ereigniskurve ist eine gestützte Form des Narrativen Interviews, in dem Menschen weniger befragt, sondern zum Erzählen gebracht werden. Vorteil ist, dass ungefragt über die Erlebnisschilderungen mehr Informationen geliefert werden. Wer ausschließlich (be-)fragt – bekommt auch nur Antworten auf seine Fragen.
Die Magic entsteht, wenn alle Erlebnis-Schilderungen über die Kurve visualisiert in Verbindung mit den Erzählungen im Raum sind. Es entsteht über den Austausch darüber automatisch ein Reflektionsraum, bei dem Themen, zu denen „Handlungsbedarf“ besteht automatisch auf den Tisch kommen. Eine gute Grundlage, um von dort aus in eine mögliche Ideation „was könnten wir tun?“ zu gehen.
Ein zweiter Punkt, den Pivi und ich immer empfehlen, sind Lernreisen zu starten. Dazu empfehlen wir gern den #lernOS Lernpfad Diversity & Inclusion. Über 12 Wochen können Teilnehmende in Organisationen selbstorganisiert, selbstlernend über diesen Reflektionsraum entlang eines Leitpfadens mit entsprechenden Wochenaufgaben für sich selbst das Feld der Diversität erschließen.
Ein guter Anfang, um Diversität wirklich bewusst zu machen. Es wäre spannend – nur so als Gedanke – mal die Ereigniskurve – wie Vielfalt in einer Organisation erlebt wird mit einem Team zu machen - danach die Lernreise 12 Wochen und dann noch einmal mit den Teilnehmenden die Ereigniskurve in Bezug auf die 12 Wochen eine erneute Ereigniskurve zu machen. Da können wir sicher sein, dass spannende Erfahrungen, Erkenntnisgewinne und Lernerfahrungen und -erfolge heben können.
Ein dritter Impuls an der Stelle wäre natürlich mit oder ohne uns unser entwickeltes Spiel #DiversityStoriesThatMatter/Hast du schon gehört…? auszuprobieren, in dem Teilnehmer:innen über verteilte Rollen in verschiedenen Rollen in real erlebte Diskriminierungs- oder Bias-Erfahrungen geführt werden, umso eigene Überzeugungen und Werte-Konzepte challengen zu können.
Text und Interview: Renate Eck