Zufriedene und leistungsfähige virtuelle Teams – ein Ding der Unmöglichkeit?
17.07.2020 | Haufe
Zusammen sind wir stark: Längst haben Unternehmen erkannt, dass Teams die Kraftzellen erfolgreicher Organisationen sind. Gerade die virtuelle Teamarbeit nimmt rapide zu, was nicht nur auf die aktuelle Corona-Krise, sondern auch auf die vielen Vorteile zurückzuführen ist, die sie Unternehmen bietet: Zum Beispiel lassen sich virtuelle Teams wesentlich flexibler besetzen, da sie standortunabhängig gebildet werden können. Durch die örtliche Flexibilität ist es zudem möglich, Mitarbeiter auch verschiedenen Teams zuzuordnen. Damit geht zugleich ein besserer Wissenstransfer einher, da man Experten für bestimmte Themen unabhängig von ihrem Standort einsetzen und ihr Know-How noch umfassender nutzen kann.
Mangelndes Vertrauen und Gemeinschaftsgefühl: Die großen Stolpersteine für dezentrale Teams
Dem gegenüber stehen die die unzähligen Herausforderungen, mit denen sich virtuelle Teams konfrontiert sehen. Sie müssen nicht nur räumliche Distanzen überbrücken, sich selbstorganisieren und technische Hürden meistern: Eine Grundvoraussetzung für ein gut funktionierendes, erfolgreiches Team ist gegenseitiges Vertrauen. Und genau daran mangelt es oftmals in dezentralen Arbeitsgruppen, denn aus der Distanz heraus fällt es deutlich schwerer Vertrauen aufzubauen. Dies geschieht im klassischen Büroalltag oft ganz nebenbei durch persönliche Interaktion. Dabei ist es egal, ob es sich um ein offizielles Meeting am Konferenztisch oder um den Smalltalk am Kaffeeautomaten handelt: Hier kommt immer die vielfältige zwischenmenschliche Kommunikation (Gestik, Mimik, Körpersprache) mit all ihren Facetten zum Tragen, wodurch Nähe geschaffen und Vertrauen gefördert werden kann. Bei virtuellen Teams entfällt diese Komponente beinahe komplett. Zudem bietet der erschwerte Austausch einen idealen Nährboden für Missverständnisse und Fehlinterpretationen, was schnell zu Missstimmung zwischen den Mitgliedern führen kann. Darüber hinaus benötigen virtuelle Teams nicht nur mehr Zeit, um gemeinsame Werte und Routinen zu entwickeln, es bedarf auch mehr Aufwand, diese aufrechtzuerhalten.
Sind virtuelle Teams also von vornherein zum Scheitern verurteilt? Sicher nicht: Untersuchungen zeigen, dass virtuelle Teams nicht nur ebenso leistungsfähig, sondern genauso zufrieden zusammenarbeiten können wie herkömmliche Teams. Allerdings müssen dafür die Voraussetzungen stimmen.
Erfolgsfaktoren: Wodurch zeichnet sich gute Teamarbeit aus?
Was müssen Unternehmen also in Bezug auf dezentrale Teams beachten? Wie können Firmen gute Rahmenbedingungen für zufriedene und leistungsfähige Teams schaffen? Und inwiefern können technologische Lösungen eine Hilfe dabei sein?
Als wir bei Haufe vor dieser Frage standen, kamen wir nach der umfassenden Lektüre von Fachliteratur zu dem Schluss, dass es kein einheitliches und schnell einsetzbares Modell gab, dass wir für unsere agilen und teilweise dezentralen Teams nutzen konnten. Die Konsequenz: In Kooperation mit der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) wollten wir ein eigenes Konzept entwickeln. Dazu werteten wir mehr als 120 Studien und Artikel aus, führten Interviews und fragten in agilen Teams ganz konkret nach: „Was macht euch eurer Meinung nach erfolgreich?“.
Die Ergebnisse verfestigten sich zu folgender These: Gutes Teamwork lässt sich auf zwölf Erfolgsfaktoren zurückführen. Unter ihnen sind Klassiker wie „Kommunikation“ oder „Vertrauen“, aber auch Aspekte wie „Team-Learning“: Schaut ein Team regelmäßig auf die eigenen Prozesse? Reflektiert es seine Arbeitsweise? Gibt man sich gegenseitig konstruktives Feedback? Ein anderer wichtiger Erfolgsfaktor ist der „Team-Purpose“, sprich der Sinn und Zweck des Teams. Hinter ihm verbirgt sich die Frage, ob sich die Teammitglieder über ihre Aufgabe im größeren Kontext im Klaren sind.
Messbarkeit: Wie kann man Teamdynamiken eruieren und bewerten?
Im nächsten Schritt überlegten wir uns, wie das 12-Faktoren-Modell als Analyse-Tool nutzbar gemacht werden kann: Um die einzelnen Faktoren statistisch messbar zu machen, entwickelten wir gezielte Fragen. Beantworten die Team-Mitglieder diese Fragen, ist es möglich, ihnen eine Diagnose zu geben, wo sie gerade zum Beispiel in Bezug auf den Faktor „Vertrauen“ stehen. Das Ergebnis wird anhand einer einfachen, intuitiven Grafik mit Farbverlauf visualisiert. Um den Teams nach der Analyse die Möglichkeit zur selbstständigen Weiterentwicklung zu geben, haben wir sogenannte „Actions“ entwickelt. Dabei handelt es sich um kleine Interventionen oder Maßnahmen, die auch auf mehrere Faktoren gleichzeitig einzahlen. So können die Teams mithilfe unseres Tools die „Gesundheit“ beziehungsweise das „Team-Fulfillment“ unserer Teams kontinuierlich betrachten und verbessern.
Kleine Rituale, große Wirkung: So kann es auch virtuell wieder „menscheln“
Allerdings muss es nicht zwingend der große technische Durchbruch sein, der bei virtuellen Teams zu mehr Zufriedenheit und einer besseren Identifikation mit der Arbeitsgruppe beiträgt. Regelmäßige, gemeinsame virtuelle „Team-Hangouts“, bei denen man sich über Dinge austauscht, die nicht arbeitsbezogen sind, können bereits viel bewirken. Gerade Teams, die früher zentral gearbeitet haben und durch die aktuelle Pandemie zur Remote-Arbeitsweise „gezwungen“ wurden, berichten, dass kleine Rituale wie eine „virtuelle Kaffeepause“ das Zusammengehörigkeitsgefühl trotz räumlicher Distanz spürbar verbessern – insbesondere, wenn es um die Integration neuer Teammitglieder geht. Dafür ist es allerdings unabdingbar, dass sich alle Teammitglieder immer wieder bewusst machen, dass auch solche informellen Termine ebenso wertvoll für das Gesamtergebnis sind wie klassische Arbeitsmeetings.
Fazit:
Zufriedene und leistungsfähige virtuelle Teams sind kein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings bedarf es etwas mehr Selbstdisziplin und Aufwand als bei Arbeitsgruppen, die an einem Ort zusammenarbeiten: Eine kontinuierliche Selbstanalyse der teaminternen Prozesse sowie der „Team-Gesundheit“ ist dabei extrem hilfreich. Mit der regelmäßigen Kontrolle sollte jedoch auch immer ein entsprechender Aktionsplan einhergehen, um eine Verbesserung zu erzielen. Entsprechende Tools wie unser „Teampact“, das in einer kostenlosen Beta-Version zur Verfügung steht, können dabei von großem Nutzen sein. Voraussetzung für den Team-Erfolg ist jedoch, dass sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind, dass gutes Teamwork genauso viel Einsatz erfordert wie der eigentliche Arbeitsinhalt. Doch die Arbeit lohnt sich – denn sie macht nicht nur die Zusammenarbeit angenehmer, sondern hat direkten Einfluss auf den Erfolg.