Lebenswelten und Wirtschaft — Es gibt nicht die eine Zukunft
Renate Eck | 29.09.2023 | 3 Minuten Lesezeit
Interview mit Speaker Dr. Hannes Fernow, Philosoph & Zukunftsforscher, Senior Director Foresight der GIM
Dr. Hannes Fernow, Sie sind als Zukunftsforscher der GIM – Gesellschaft für innovative Marktforschung mit den tiefgreifenden Fragen von Leben und Arbeit konfrontiert.
Ein Megatrend in dieser Zeit ist die Fragmentierung, die zu einer Pluralisierung von Bedürfnissen und Werten führt. Welche konkreten Herausforderungen ergeben sich durch die Zergliederung in den zentralen Bereichen von Arbeit, Leben und Mobilität?
Gegenwärtig werden viele allgemeingültige Thesen in den Raum gestellt, wie die Zukunft für uns alle aussehen wird. Der Megatrend Fragmentierung berücksichtigt jedoch, dass einheitliche Idealvorstellungen und Lebenswelten längst nicht mehr existieren. Auch in keinem der drei Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Mobilität existieren einheitliche Zukunftswünsche:
Die „Bewahrer“ etwa ein Viertel (24% der Bevölkerung) sind Traditionalist:innen, die klassische Arbeitsformen, Pflichtbewusstsein und Wohlstand schätzen. Sie versuchen, das bisher Erreichte zu konservieren und sehnen sich in die „gute, alte Zeit“ zurück.
Die „Weltoptimierer“ um 40 Prozent sind Idealist:innen mit großem gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortungsbewusstsein, denen sinnfüllende Arbeit wichtig ist.
Die „Selbstoptimierer“ mehr als ein Drittel (35%) sind Rationalisten für die Gestaltungsraum und Flexibilisierung entscheidend ist. Sie versuchen ihr Leben möglichst gut selbst zu gestalten und haben dabei hohe Ansprüche an Flexibilität.
Und was bedeutet das für die Unternehmen und insbesondere für das Marketing und HR, wie können sie damit gut umgehen?
Es gibt nicht DIE Zukunft, nicht die DIE zukünftige Generation! Die Gesellschaft ist fragmentarisch.
Die Menschen sind divers. Das gilt auch für die so viel diskutierte Gen Z. Es gab wahrscheinlich keine Generation zuvor, die so heterogen war. Für die einen geht es um Sicherheit und Wohlstand; für andere um Klimaschutz und Sinn; für andere um Selbstsorge und Flexibilisierung. Jede Organisation braucht darauf eine Antwort. Zum Beispiel durch ein hohes Maß an Flexibilität: bei der Arbeitsplatzgestaltung, bei den Arbeitszeitmodellen! Deshalb sollten Organisation beim Recruiting zumindest die drei genannten, ganz unterschiedliche Segmente im Blick behalten. Wichtig dabei: Wir reden manchmal zu viel über Silberrücken, Boomer und die sogenannte Gen Z. Zielgruppen und Communities entstehen zunehmend durch einen geteilten Wertestandpunkt und weniger durch gleiche soziodemographische Kriterien.
Text und Interview von Renate Eck