Organisationsentwickler Dr. Bernhard Ludwig: „Es ist wichtig zu sehen, dass Transformation kein Selbstzweck ist“
07.09.2023 | Zukunft Personal
Schön der Reihe nach: Dr. Bernhard Ludwig hat für uns die Struktur der Transformation in Etappen zusammengefasst. Ein Talk über Bewusstseinsentwicklung, den Sinn von integralem Organisationsverständnis – und das Thema Tiefe.
Bernhard, bevor wir uns der Frage des Wies der Transformation widmen, Du bist geschäftsführender Gesellschafter bei imu Augsburg, erzähl mal, wer Ihr seid und wie Ihr Organisationen bei der Transformation unterstützt?
Das imu begleitet seit über 30 Jahren Unternehmen in anspruchsvollen Entwicklungsphasen. Bereits seit 20 Jahren sind wir auf integrale Organisationsentwicklung spezialisiert und haben hunderte Unternehmen begleitet. Aus unserer Sicht ist „Integral“ der Leading-Edge-Ansatz in der Organisationsentwicklung, da es neben den harten Fakten vor allem um Selbst- und Bewusstseinsentwicklung geht – das sind die entscheidenden Zukunftskompetenzen.
Integrale Organisationsentwicklung, was bedeutet das genau?
Der Anspruch ist, Organisationen viel tiefer zu sehen als üblich. Unser Gehirn generiert uns eine Sicht auf Situationen, die stark von unseren vergangenen Erfahrungen geprägt ist. Wir sehen Organisationen oft nur oberflächlich und noch dazu ganz unterschiedliche Facetten davon. Das macht es im Alltag schwer, gute gemeinsame Entscheidungen zu treffen, ein Projekt erfolgreich abzuschließen oder gar Transformation zu gestalten. Integrale Organisationsentwicklung hat also viel damit zu tun, gemeinsam besser zu lernen, wahrzunehmen und damit umzugehen, was in Organisationen wirklich stattfindet, oftmals unsichtbar bleibt oder nicht ausgesprochen werden will. Das zu berücksichtigen ist wichtig für die Transformation.
Dafür ist die Integrale Landkarte für Organisationsentwicklung als Metaperspektive hilfreich, die aus drei Elementen besteht. Das erste Element: mit dem Vier-Quadranten unterschiedliche Perspektiven einnehmen und vernetzt reflektieren. Das zweite: mit den Werteebenen beziehungsweise Entwicklungsstufen evolutionäre Entwicklung verstehen. Drittes Element: mit Entwicklungslinien erkennen, wie Entwicklungen erfolgen und aufeinander aufbauen. Die Integrale Landkarte hilft dann besser, gemeinsam zu sehen, wo wir gerade stehen und wohin wir wollen. Ohne diese Präzision kann Transformation kaum gelingen.
Ihr habt reichlich Erfahrung gesammelt. Was sind aus Deiner Sicht wesentliche Erfolgsfaktoren für das Gelingen?
Erst mal sollten wir sehr sorgfältig hinterfragen, warum viele große Projekte, Transformationen oder auch Merger nicht gelingen. Das liegt meistens daran, dass die beiden inneren Quadranten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das Prinzip “from inside out” erfahre ich als hoch relevant. Darüber hinaus sind für mich folgende Punkte zentral: Es ist wichtig zu sehen, dass Transformation kein Selbstzweck ist, sondern ein Weg der systematischen Strategieumsetzung. Gleichzeitig muss Transformation von innen, also von den beteiligten Menschen, getragen und gestaltet werden. Außerdem braucht Transformation eine synchronisierte Entwicklung in allen vier Quadranten. Und alle gestaltenden Aktivitäten im Unternehmen müssen so orchestriert werden, dass sie in gesamthafte Transformation einzahlen, zum Beispiel Projekte, People oder Investitionen.
Apropos Transformation, wie gestaltet sich diese bestenfalls? Gibt es bestimmte Meilensteine, die Orientierung geben können?
Ja klar, im Laufe der Jahre hat sich bei uns eine Vorgehensweise herauskristallisiert, die als Orientierung dient, jedoch eher zirkulär als linear verstanden werden soll. Und natürlich hat jede Transformation spezifische Herausforderungen und muss immer an die Gegebenheiten angepasst werden. Wir sehen fünf grundlegende Etappen der Transformationsreise. Erste Etappe ist die „Ausrichtung“. Hier geht es um die Frage, wohin wir uns als Organisation entwickeln müssen, um bestmöglich in der Lage zu sein, unsere Strategie zu leben und angestrebten Kundennutzen erbringen zu können. Zentral ist hierfür auch die Bestimmung der für die Strategieumsetzung erforderlichen Entwicklungsstufe. Im nächsten Schritt geht es darum, entlang des Zukunftsbildes für die einzelnen Entwicklungslinien zu bestimmen, welche Entwicklungsstufe aktuell vordergründig ist. Das kann natürlich in verschiedenen Organisationseinheiten sehr unterschiedlich sein. Diese Etappe nennen wir „Diagnose“. Erst wenn klar ist, welchen Zustand wir anstreben und was der Ausgangspunkt ist, kann der eigentliche Transformationsprozess gründlich ausgestaltet werden. Das geschieht in der Etappe „Design“. Hier ist auch wichtig zu sehen, welche Projekte und Aktivitäten gerade schon stattfinden, wie diese ins Zukunftsbild einzahlen. Hinzu kommen ergänzende Interventionen, damit die Transformation in Summe gelingen kann.
Und die nächste Etappe?
Bei der „Transformations-Begleitung“ benötigt die Transformation das Zutun von möglichst vielen Menschen in der Organisation in allen Quadranten, also Haltung, Verhalten, Beziehungen und Arbeitsprozesse. Führungskräfte haben dabei eine besondere Rolle als Vorbild und Unterstützer. Übrigens, bei anspruchsvollen Etappen ist es wichtig, auch professionelle und erfahrene Begleiter zur Seite zu stellen. Schlussetappe ist dann „Reflexion und Lernen“. Durch ein systematisches Transformations-Monitoring muss der Transformations-Fortschritt in regelmäßigen Abständen ermittelt werden. Erfolge und Misserfolge auf der Reise sind Chancen für tiefgreifende Lernprozesse, die dann zu passenden Justierungen führen müssen.