Europäische Rahmenvereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit

Nancy Adam | 14.11.2024 | 7 Minuten Lesezeit

Eine Frau sitzt in einem Zug und arbeitet an ihrem Laptop
Quelle: EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft

Das Wichtigste in Kürze

Im Artikel von Nancy Adam, befasst sie sich mit dem europäischen Rahmenvereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit. Sie erläutert, dass Arbeitnehmer, die mehr als 25% ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, weiterhin im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates bleiben können. Dies gilt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und erfordert einen Antrag durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Italien hat die Vereinbarung am 28. Dezember 2023 unterzeichnet, sodass sie nun von 17 Staaten angewendet wird. Die Texte liefern einen Überblick über die Regelung, ihre Voraussetzungen, den Antragsprozess und die rückwirkende Anwendung.

Regelung seit 01.01.2024 auch im Verhältnis zu Italien gültig

Auch wenn zahlreiche Arbeitgeber bestrebt sind, die Arbeit im Homeoffice zu reduzieren, sind Telearbeit und hybrides Arbeiten nach wie vor beliebte Modelle. Doch grenzüberschreitende Telearbeit kann ungewollt eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat auslösen. Dies gilt insbesondere wieder, seit die im Zusammenhang mit der Pandemie getroffenen Sonderregelungen am 01.07.2023 ausgelaufen sind. Auf europäischer Ebene wurde deshalb eine multilaterale Rahmenvereinbarung entworfen. Sie ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Telearbeit mit einem Umfang von mehr als 25 Prozent den Verbleib im Sozialversicherungssystem des Staates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Italien hat die Vereinbarung am 28.12.2023 unterzeichnet, sodass sie nun von insgesamt 17 Staaten angewendet wird.

Wahlrecht bei Telearbeit im Wohnsitzstaat von mehr als 25 und weniger als 50 Prozent

Die Rahmenvereinbarung sieht ein Wahlrecht für den Verbleib im Sozialversicherungssystem des Arbeitgeberstaates vor, wenn die Tätigkeit im Wohnsitzstaat mehr als 25 und weniger als 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit umfasst. Die jeweilige Rahmenvereinbarung gilt für fünf Jahre und verlängert sich jeweils um fünf Jahre, es sei denn, der betreffende Staat informiert Belgien als Depositarstaat mindestens drei Monate vor der Verlängerung schriftlich darüber, dass er die Vereinbarung nicht mehr anwenden wird.

Was gilt als grenzüberschreitende Telearbeit?

Grenzüberschreitende Telearbeit im Sinne der Rahmenvereinbarung ist eine Tätigkeit, die von jedem beliebigen Ort aus ausgeübt werden kann, in den Räumlichkeiten oder an der Betriebsstätte des Arbeitgebers erledigt werden könnte und

  1. in einem anderen Mitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten als demjenigen, in dem sich die Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder sein Geschäftssitz befinden, ausgeübt wird und
  2. sich auf Informationstechnologie stützt, um mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers oder des Unternehmens sowie mit Interessengruppen/Kunden in Verbindung zu bleiben, damit der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen kann.

Die digitale Verbindung mit der Infrastruktur des Arbeitgebers muss normal und üblicherweise vorhanden sein, doch nicht notwendigerweise die ganze Zeit. Manuelle Tätigkeiten fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der Vereinbarung.

Antrag auf Anwendung der Vereinbarung notwendig

Der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer kann die Option ausüben, indem er einen Antrag auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung stellt und eine A1-Bescheinigung beantragt. Dabei muss der Antrag im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestellt werden. Zuständig ist der Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften die betreffende Person anzuwenden wünscht. Das bedeutet, dass der Antrag bei dem zuständigen Träger desjenigen Mitgliedstaates zu stellen ist, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Die jeweilige Ausnahmevereinbarung gilt für drei Jahre und kann auf Antrag verlängert werden. 

Rückwirkender Antrag nur ausnahmsweise möglich

Ein Antrag zur Inanspruchnahme des Rahmenabkommens kann für maximal drei Monate rückwirkend gestellt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass in dem rückwirkenden Zeitraum durchgängig Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland entrichtet wurden.

Europäische Rahmenvereinbarung zur Telearbeit – Liste der Unterzeichnerstaaten

Unterzeichnerstaaten Inkrafttreten
Belgien 01.07.2023
Deutschland 01.07.2023
Finnland 01.07.2023
Italien 01.01.2024
Kroatien 01.07.2023
Liechtenstein 01.07.2023
Luxemburg 01.07.2023
Malta 01.07.2023
Norwegen 01.07.2023
Österreich 01.07.2023
Polen 01.07.2023
Portugal 01.07.2023
Schweden 01.07.2023
Schweiz 01.07.2023
Spanien 01.07.2023
Tschechische Republik 01.07.2023

 

Handlungsempfehlung

Arbeitgeber können nun – unter den Voraussetzungen der Rahmenvereinbarung – eine mögliche Sozialversicherungspflicht ihrer Beschäftigten auch bei Telearbeit in Italien vermeiden. Arbeitgebern ist zu empfehlen, die konkreten Handlungsmöglichkeiten für die betroffenen Beschäftigten zu identifizieren und ihre Regelungen zur Telearbeit entsprechend anzupassen. Im Einzelfall kann – insbesondere aus steuerlichen Gründen – nach wie vor ein Verbot von Telearbeit im Ausland ratsam sein.

Über die Autorin

Portrait von Nancy Adam

Nancy Adam

Nancy Adam berät seit 2005 bei EY zu allen sozialversicherungsrechtlichen Themen im nationalen und internationalen Kontext, z. B. beim grenzüberschreitenden Arbeiten oder bei Entsendungen. Sie unterstützt mit ihrem Team Unternehmen aller Größenordnungen und findet pragmatische Lösungen auch bei komplexen Fragestellungen.