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Dr. Markus Diepold & Isabelle Puhl | 09.11.2023 | Lesezeit 5 Minuten
Das Wichtigste in Kürze
Dr. Markus Diepold und Isabelle Puhl von Dentons betonen die Bedeutung ihres polyzentrischen Ansatzes, der es ihnen ermöglicht, in über 50 Ländern arbeitsrechtliche Beratung anzubieten. Dieser Ansatz erfordert eine sensible Balance zwischen gemeinsamen Werten und der Anerkennung regionaler Besonderheiten, insbesondere bei der Erstellung von Unternehmensrichtlinien.
Im Interview verraten uns Dr. Markus Diepold und Isabelle Puhl wie sich das globale Arbeitsumfeld von Dentons auf ihre tägliche Arbeit auswirkt.
Dentons wirbt mit einem polyzentrischen Ansatz. Was bedeutet das für Ihre Arbeitsrechtspraxis?
MD: Wir bieten arbeitsrechtliche Standorte in über 50 Ländern an. Mit unserem Nextlaw Referral Network können wir auch arbeitsrechtliche Beratung in Ländern anbieten, in denen wir keinen eigenen Standort haben. Das funktioniert ausgezeichnet. Polyzentrik heißt für uns unter anderem, dass wir trotz der gemeinsamen Werte die Besonderheiten jedes Standortes respektieren und schätzen.
IP: Dieser Ansatz hilft uns auch bei der Beratung von Mandanten im internationalen Kontext. Wir sehen in der eigenen Kanzlei, dass regionale Besonderheiten wichtig sind. Deshalb sind wir dafür sensibilisiert, sie zu erkennen und genau abzuwägen, wo sich Vereinheitlichung lohnt und wo wir genauer hinschauen müssen.
Haben Sie ein Beispiel?
IP: Ein „Klassiker“ ist die Einführung von Unternehmensrichtlinien. Immer wieder stehen wir vor der Frage, ob es Sinn macht, ein einheitliches Regelwerk einzuführen, das in allen Rechtsordnungen funktioniert. Das kann funktionieren, z. B. bei allgemeinen Ethik-Codices. Bei der Einführung eines Bonussystems oder eines möglichst weltweit einheitlichen Arbeitsvertrags muss man dagegen genauer hinschauen. Manche Regelungen, die dem Arbeitgeber im Ausland Flexibilität einräumen, sind im deutschen Recht unwirksam und umgekehrt. In solchen Fällen mag es besser sein, die Richtlinie landesspezifisch anzupassen.
MD: Das schöne ist, dass man über die Jahre ein gutes Gespür dafür entwickelt, wann man die Kollegen im Ausland „an Board“ holen muss.
Wie muss ich mir das vorstellen? Greifen Sie dann einfach zum Hörer?
MD: Naja, eher zum Teams Meeting. Aber grundsätzlich ja. Wir arbeiten mit vielen Kollegen im Ausland, gerade in Europa und Amerika, schon seit Jahren eng zusammen, sehen uns regelmäßig auf Anwaltstreffen oder im Rahmen von Fortbildungsprogrammen. Das sind kurze Wege – auch dann, wenn unsere Ansprechpartner über verschiedene Kontinente verteilt sind. Wir verlieren keine Zeit damit, erst einmal zu prüfen, wen man fragen könnte. Und wir wissen, an welchen Stellen unsere Kollegen in anderen Ländern ein anderes Verständnis der Rechtsordnung haben und welche Dinge man nochmals besonders erklären muss, damit der Mandant verstanden wird.
IP: Es geht auch nicht nur darum, wen man fragt, sondern auch wie man fragt. Manchmal benötigt der Mandant nur einen Plausibilitätscheck, ob etwas in einer anderen Rechtsordnung grundsätzlich funktionieren könnte, z. B. die Einstellung von Arbeitnehmern ohne ausländischen Rechtsträger. In anderen Fällen muss man in die Details einsteigen, z. B. bei einem grenzübergreifenden Personalabbau.
Ist es in solchen Fällen überhaupt möglich, einen Prozess zu vereinheitlichen?
MD: Jein. Im Arbeitsrecht ist die Bandbreite an Regelungen sehr groß. Das betrifft nicht nur die Arbeitsbedingungen, weil z.B. in anderen Ländern immer Tarifverträge zur Anwendung gelangen, sondern auch das Verfahren bei Kündigungen. Wir haben neulich ein Unternehmen bei einem Personalabbau in 32 unterschiedlichen Jurisdiktionen beraten. Da sind die Fristen, Kosten und Verfahren gänzlich unterschiedlich. Aber es fällt in einem Team von Anwälten, die häufig zusammenarbeiten, leichter, Zielvorstellungen des Mandanten umzusetzen und die Kommunikation zu vereinheitlichen. Auch das Monitoring des Budgets ist ein wichtiger Aspekt.
Wie kam es dazu, dass Sie so viel international arbeiten?
IP: Das hat vor allem seit dem Zusammenschluss von Dentons 2013 enorm zugenommen und war auch persönlich eine tolle Chance zur Weiterentwicklung. Reizvoll ist vor allem, dass es dabei nicht nur um Jura geht. Häufig müssen wir besonders genau zuhören, um zu verstehen, was der Mandant – ausgehend von einem ganz anderen Kulturkreis und Rechtsverständnis – eigentlich möchte. Umgekehrt lernt man, noch präziser zu kommunizieren. Einen ausländischen Juristen interessiert in der Regel nicht die letzte Windung des deutschen Arbeitsrechts. Da ist es wichtig, einen klaren, praxistauglichen Lösungsvorschlag zu unterbreiten.
MD: Man darf aber nicht vergessen, dass wir fest im deutschen Markt verwurzelt sind. Ohne die klassische Dauerberatung von Personal- und Rechtsabteilungen vor Ort, könnten wir auch nicht international beraten. Es würde schlichtweg der Praxischeck fehlen, z. B. um einzuschätzen, welche Fragen ein Arbeitsgericht bei einer betriebsbedingten Kündigung aufwerfen würde. Da sind im deutschen Recht die Beweislastanforderungen teilweise viel höher als im Ausland.
Seit 2013 ist in Ihrer Praxisgruppe viel passiert.
MD: Ja, wir hatten damals nur in Berlin ein Arbeitsrechtsteam, jetzt sind wir an unseren deutschen Standorten in Frankfurt am Main, Düsseldorf und München mit schlagkräftigen Teams vertreten. Das ermöglicht es uns, bei größeren Projekten gegenseitig zu unterstützen. In unserer Praxisgruppe ist standortübergreifende Zusammenarbeit gewünscht. Während wir im Berliner Büro sehr viel in kollektivrechtlichen Angelegenheiten beraten, hat unser Düsseldorfer Team z. B. einen Schwerpunkt in der betrieblichen Altersvorsorge. Unsere Münchener sind dagegen begeisterte Datenschutzrechtler.
Das klingt nach viel Bewegung über die letzten Jahre. Was planen Sie als nächstes?
IP: Gerade sind Legal Tech und AI die großen Themen, auch im Arbeitsrecht. Wir haben bei Dentons ein tolles Innovations-Team, mit dem zusammen wir viele Prozesse vereinfachen können. Das geht von der datenbasierten Erstellung von Dokumenten bis hin zur Modellierung unterschiedlicher Szenarien im Rahmen eines Personalabbaus.
MD: Wir werden auch in Deutschland weiterhin wachsen, da unsere Arbeit erfreulicherweise Anerkennung findet. Ein anderer Schwerpunkt sind weitere Angebote für Mandanten. Seit der Corona-Krise sind Online-Formate selbstverständlicher geworden. So bieten wir z. B. Global Employment Webinare an, um Einblicke in wichtige Jurisdiktionen zu geben. Über Änderungen auf europäischer Ebene informieren wir im Rahmen unserer Employment Tracker länderübergreifend, z. B. zur Transparenzrichtlinie, die in Deutschland im Nachweisgesetz umgesetzt wurde. Teils lohnt sich schlicht der Austausch zu wichtigen HR-Themen, Beispiel ESG: Der Blick ins Ausland hilft, Maßnahmen zu identifizieren, die auch für deutsche Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen interessant sein könnten. Darüber haben wir in Deutschland eine kostenlose Webinarreihe unserer Arbeitsrechtsgruppe (Lunch & Learn) und unseren Arbeitsrechts Blog weiter ausgebaut.
FAQS
Was bedeutet der polyzentrische Ansatz von Dentons für ihre Arbeitsrechtspraxis?
Dentons' polyzentrischer Ansatz ermöglicht es, arbeitsrechtliche Beratung in über 50 Ländern anzubieten. Dies erfordert die Achtung und Wertschätzung der Besonderheiten jedes Standortes trotz gemeinsamer Werte.
Wie geht Dentons mit der Herausforderung um, Unternehmensrichtlinien in verschiedenen Rechtsordnungen einzuführen?
Dentons berät mandantenorientiert und passt Unternehmensrichtlinien landesspezifisch an, um regionale Unterschiede zu berücksichtigen. Dies wird durch enge Zusammenarbeit der internationalen Teams erleichtert.
Wie erleichtert Dentons die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen internationalen Teams im Arbeitsrecht?
Dentons setzt auf regelmäßige Kommunikation über virtuelle Meetings und fördert die Zusammenarbeit zwischen Teams, um Mandantenziele effizient umzusetzen. Dies erleichtert auch das Monitoring von Budgets und ermöglicht eine effektive Kommunikation in länderübergreifenden Arbeitsrechtsangelegenheiten.