Wie hat sich der Arbeitsmarkt in den letzt 20 Jahren verändert? Trend 3: Frauen erobern den Arbeitsmarkt

05.09.2019 | Fanny Jimenez und Linda Dommes 

Trends Arbeitsmarkt
Quelle: Pexels.com

Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren am Arbeitsmarkt getan? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine 4-teilige Serie im Zukunft Personal Blog in Kooperation mit Trendence. Neue Artikel erscheinen donnerstags.

Es war eine turbulente Zeit, der Wandel schien allgegenwärtig. Trendence hat diese Veränderungen als unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen genauso lange begleitet und erforscht. Wie ein Seismograph verraten unsere Studien, wie und wann sich Karrierepläne und Wunscharbeitgeber von Tausenden Schüler_innen, Absolvent_innen, Young Professionals und Fachkräften verändern. Und sie verraten, welche Arbeitgebermarken die Veränderungen der Zeit am erfolgreichsten gemeistert haben. Die besten Brands, die größten Aufsteiger: Sie haben die richtigen strategischen und operativen Entscheidungen im Bereich Employer Branding und Personalmarketing getroffen.

 

Trend 3: Frauen erobern den Arbeitsmarkt

In unserem letzten Blogbeitrag haben wir uns angesehen, wie die Digitalisierung in den vergangenen 20 Jahren Denkprozesse, Herangehensweisen und die Kommunikation rund um den Bewerbermarkt einmal komplett auf den Kopf gestellt hat. In diesem Blog blicken wir auf eine Entwicklung mit ähnlicher Wucht: Die Eroberung des Jobmarktes durch die Frauen.

Frauen sind die Aufsteiger der vergangenen Jahrzehnte, wenn es um den Arbeitsmarkt geht. Das belegen zahlreiche Studien, etwa eine von der Bertelsmann Stiftung geförderte Langzeitstudie der Freien Universität Berlin. Studienleiter Timm Bönke hat dabei die Auswirkungen des Strukturwandels auf dem deutschen Arbeitsmarkt für verschiedene Bevölkerungsgruppen untersucht. Frauen, so sein Ergebnis, haben heute eine deutlich bessere Ausbildung als früher, arbeiten öfter und mehr, und ihre Einkommen sind deutlich gestiegen.

Arbeitsmarktsituation

Wie schnell die Entwicklung sich vorangeht zeigt sich schon, wenn man die Arbeitsmarktsituation von Frauen mit der von Männern allein für das vergangene Jahrzehnt betrachtet, wie die Arbeitsagentur in einer Publikation von 2018. Im Jahr 2017 lebten demnach in Deutschland 26,5 Millionen Frauen und 27,3 Millionen Männer im erwerbsfähigen Alter. Die Zahl der Frauen, die einen Job ausübte oder suchte, stieg dabei zwischen 2007 und 2017 um knapp 0,9 Millionen auf 19,6 Millionen. Anders gesagt: Hatten 2007 nur 69 Prozent der Frauen zwischen 15 und 65 Jahren einen Job oder waren auf der Suche nach einem, galt dies 2017 bereits für 74 Prozent – ein Anstieg von 5 Prozentpunkten.

"Um ganze vier Prozentpunkte stieg innerhalb nur eines Jahres unter weiblichen IT-Absolventen der Anteil jener, die als „High Potentials“ gelten."

Die bessere Ausbildung war ein entscheidender Faktor dabei. Heute haben Frauen und Männer ein ähnliches Bildungsniveau, und Frauen verlassen zunehmend tradierte stereotypisch „weibliche“ Berufe und erobern traditionell „männliche“. Trendence-Daten zeigen, dass sich die Studierenden und Absolvent_innen heute vermehrt in Branchen bewegen, in denen sie früher schwer zu finden waren. So ist ihr Anteil in Fächern wie Chemie, Physik, Biologie und Astronomie innerhalb von sechs Jahren um fast zwei, in Fächern mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt um drei Prozent gestiegen. Ebenfalls beachtlich ist ein Sprung, der von 2018 bis 2019 in unseren Daten sichtbar ist. Um ganze vier Prozentpunkte stieg innerhalb nur eines Jahres unter weiblichen IT-Absolventen der Anteil jener, die als „High Potentials“ gelten: Sie gehören hinsichtlich ihrer Noten zu den besten 25 Prozent ihres Jahrgangs und haben bereits Praxiserfahrung.

Diversiry & Chancengleicheit

Das stellt dem Arbeitsmarkt im War for Talents neue, dringend benötigte Ressourcen zur Verfügung. Es verlangt ihm aber auch etwas ab. Denn Studien zufolge liegt nach wie vor die Hauptlast der Hausarbeit und Kindererziehung trotz der Berufstätigkeit bei den Frauen. Sie arbeiten deshalb häufiger in Teilzeit oder setzen im Job zeitweise ganz aus – mit Risiken für Gehalt, Rentenansprüche, potenzielle Arbeitslosigkeit und Berufsrückkehrchancen. Frauen sind sich dessen sehr wohl bewusst. Mit dem Frauenanteil steigt auch die Erwartung an Diversity und Chancengleichheit in einem Unternehmen, zeigen unsere Daten. Zwar ist dies auch für Männer ein Faktor bei der Arbeitgeberwahl. Im Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Befragten zeigt sich aber: Während Diversity und Chancengleichheit etwa bei Studierenden der Ingenieurwissenschaften für Männer nur einer von vielen Faktoren ist (wichtig für 22 Prozent), ist er für Frauen mit fast 52 Prozent ein relevanter Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers.

"Gleich nach einem angemessenen Gehalt spielt für Arbeitnehmerinnen die Vereinbarkeit des Privat- und Berufslebens die wichtigste Rolle."

Unsere Flexwork-Studie aus diesem Jahr hat gezeigt: Fast allen dort Befragten, 94,2 Prozent, helfen etwa flexible Arbeitszeiten bei der besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Gleitzeit oder Lebensarbeitszeitkonten sind favorisierte Modelle, weil sie die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmenden erhöhen. Auf einer Skala von 1 (unflexibel) bis 5 (flexibel) ordneten die Befragten den Status Quo bei 3,3 ein – also bereits als eher flexibel. Dabei bewerten Absolvent_innen in Wirtschaftswissenschaften und Sozial-/Geisteswissenschaften ihre Arbeit mit einem Wert von 3,2 als weniger flexibel als beispielsweise die IT-Absolvent_innen mit 3,9. Hier ist also trotz eines guten Ansatzes noch Luft nach oben. Eine andere Trendence-Studie bei Fachkräften zeigt, dass hier eine ausgewogene Work-Life-Balance Frauen wichtiger ist als für Männern. Gleich nach einem angemessenen Gehalt spielt für sie die Vereinbarkeit des Privat- und Berufslebens die wichtigste Rolle.

Gehalt

Apropos Gehalt. Die Ergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass Studierenden ein faires Gehalt wichtiger ist als ein hohes Gehalt. So gaben fast 66 Prozent unserer befragten Absolvent_innen an, dass ein faires Gehalt für sie der entscheidende Faktor bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber ist – und überholt damit alle anderen Faktoren bei der Arbeitgeberwahl, etwa attraktive Arbeitsaufgaben, Karriereperspektiven, die Wertschätzung und Kollegialität, guten Führungsstil oder die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung. Aber was heißt fair? Für viele Frauen bedeutet es wohl: den Männern gleichwertig. Fragt man Absolventinnen nach ihren Gehaltsvorstellungen, bleiben sie bisher aber weiter hinter den Männern zurück. Während Ingenieurwissenschaftlerinnen knapp 5000 Euro Einstiegsgehalt pro Jahr weniger erwarten als ihre männlichen Kollegen und Informatikerinnen knapp 4000 Euro, sind es bei Wirtschaftswissenschaftlerinnen sogar mehr als 6000 Euro.

"Fragt man Absolventinnen nach ihren Gehaltsvorstellungen, bleiben sie bisher aber weiter hinter den Männern zurück."

Wer sich als Arbeitgeber auf dem Bewerbermarkt hier Vorteile vor Konkurrenten verschaffen will, hat also mehrere Ansatzpunkte. Auf lange Sicht ist klar: Auf die Forderungen des Bewerbermarktes wird man eingehen müssen, wenn man im Recruiting die Auswahl haben möchte. In der nächsten Woche zeigen wir, was außer Work-Life-Balance und einem fairen Gehalt noch ausschlaggebend dafür sein kann, Bewerber für sich zu gewinnen. So viel sei verraten: Manchmal sind es auch die eher kleinen Dinge, die zählen.

Über Trendence

Trendence ist ein unabhängiges Beratungs- und Marktforschungs­unternehmen für Employer Branding und Personalmarketing mit 20 Jahren Erfahrung. Aus seinen Studien kennt es die Karrierepläne und Wunscharbeitgeber von drei Millionen jungen Bewerbern weltweit. Die Ergebnisse dieser Studien sind für Arbeitgeber Basis ihrer Entscheidungen im Employer Branding und Personalmarketing, indem sie detaillierte Informationen über potenzielle Bewerber liefern. Besondere Aufmerksamkeit erfahren die Rankings der beliebtesten Arbeitgeber. Sie dienen Arbeitgebern, Bewerbern und Medien gleichermaßen als Orientierung und Benchmark. Trendence veröffentlicht außerdem Arbeitgebersiegel und -auszeichnungen sowie Karriereratgeber für Schüler und Studierende, um ihnen die Berufsorientierung zu erleichtern. Weitere Informationen: www.trendence.com