Wie hat sich der Arbeitsmarkt in 20 Jahren verändert? Trend 2: Die Arbeitswelt wird digital
29.08.2019 | Fanny Jimenez und Linda Dommes
Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren am Arbeitsmarkt getan? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine 4-teilige Serie im Zukunft Personal Blog in Kooperation mit Trendence. Neue Artikel erscheinen donnerstags.
Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren am Arbeitsmarkt getan? Es war eine turbulente Zeit, der Wandel schien allgegenwärtig. Trendence hat diese Veränderungen als unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen genauso lange begleitet und erforscht. Wie ein Seismograph verraten unsere Studien, wie und wann sich Karrierepläne und Wunscharbeitgeber von Tausenden Schüler_innen, Absolvent_innen, Young Professionals und Fachkräften verändern. Und sie verraten, welche Arbeitgebermarken die Veränderungen der Zeit am erfolgreichsten gemeistert haben. Die besten Brands, die größten Aufsteiger: Sie haben die richtigen strategischen und operativen Entscheidungen im Bereich Employer Branding und Personalmarketing getroffen.
Trend 2: Die Arbeitswelt wird digital
In unserem ersten Blogbeitrag ging es darum, welche Hebel es heute braucht, um im War for Talents Absolvent_innen und Berufeerfahrene zu rekrutieren und langfristig zu binden. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die digitale Transformation in der Arbeitswelt – die brachial war.
Sie hat Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren nicht nur vor große technische Herausforderungen gestellt. Sie hat auch zu veränderten Denkprozessen, einer veränderten Herangehensweise an HR im Allgemeinen und Rekrutierung im Besonderen geführt. Und sie hat die Interaktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern von einer kommunikativen Einbahnstraße in einen nutzerzentrierten Dialog verwandelt. Kurz: Sie hat den gesamten Jobmarkt, die gesamte Arbeitswelt einmal umgekrempelt.
"Die digitale Transformation hat die Interaktion zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern von einer kommunikativen Einbahnstraße in einen nutzerzentrierten Dialog verwandelt."
Versetzen wir uns 20 Jahre zurück: Damals probierten sich die Ersten zaghaft daran aus, E-Mails zu verschicken, und das Internet war so langsam, dass man sich noch einen Kaffee holen konnte, bis eine Webseite endlich geladen war. Bewerbungen schickte man per Post oder klopfte an die Bürotür des Wunsch-Arbeitgebers, um sie persönlich abzugeben – dort stapelten sie sich dann zur Durchsicht und Aufbewahrung im Schrank. Wer einen Job zu vergeben hatte druckte ein Inserat in der Zeitung. Und wer ganz verwegen war, gab das gleiche Inserat auch noch in eine der ersten Online-Jobbörsen, die um diese Zeit herum entstanden.
Mit Facebook begann die Umwälzung
Es war schwer, die Digitalisierung als etwas Zukunftsweisendes zu sehen. Fünf Jahre später aber, mit der Gründung von Facebook im Jahr 2004, begann sich die Umwälzung anzubahnen. Als erster Social-Media-Kanal stand das Unternehmen dafür, sich one to one oder in Gruppen schnell und unkompliziert über Privates ebenso wie Berufliches auszutauschen: mit der Familie, Freunden, Bekannten, Kollegen, Chefs – und sogar potenziellen Arbeitgebern. Im Jahr 2006 kam Twitter dazu, ein Jahr später kununu. In der Rekrutierung zeichnete sich ab, dass von Unternehmen als Arbeitgebern zunehmend Interaktion auf einem hohen Niveau gefragt war: Man musste sich Fragen stellen, mehr von sich preisgeben, auf Kritik reagieren.
Mit der Gleichförmigkeit im Recruiting war es dann recht schnell vorbei. Manche Unternehmen ergriffen die Chance, sich digital facettenreich und interaktiv zu präsentieren und probierten viel aus. Andere waren zurückhaltender, warteten ab und konzentrierten sich auf Altbewährtes. Einer der Vorreiter war etwa Bertelsmann: Als eines der ersten Unternehmen Deutschlands spielte es mit „Create Your Own Career“ eine Kampagne komplett kanalübergreifend aus – es gibt sie übrigens bis heute.
"Für den Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt, der jetzt diese und viele weitere Kampagnen sieht, die in der Zwischenzeit entstanden sind, ist das Leben, Lernen und Arbeiten in einer digitalen Welt selbstverständlich."
Für den Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt, der jetzt diese und viele weitere Kampagnen sieht, die in der Zwischenzeit entstanden sind, ist das Leben, Lernen und Arbeiten in einer digitalen Welt selbstverständlich.
Digital Natives
Was damit gemeint ist, wenn man sie als „Digital Natives“ bezeichnet, zeigen Trendence-Daten. Im aktuellen Schülerbarometer haben wir Schüler_innen der Klassen 8-13 etwa gefragt, welche Online-Medien sie zur Kommunikation mit Arbeitgebern nutzen würden: Knapp 78 Prozent haben WhatsApp angegeben, fast ein Drittel auch Instagram. Für sie gilt außerdem: Mobile first. Die Recherche zu Beruf und Karriere findet für die meisten Schüler_innen online statt – auf dem Smartphone. Wer noch Karriere-Webseiten ohne mobile Optimierung hat, weiß also, was zu tun ist.
Sieht man sich die Daten der Studierenden an, dann zeigt sich: Schon sie verdienen ihr Geld nebenbei zunehmend komplett digital. Um fast zehn Prozentpunkt stieg allein in den vergangen zwei Jahren der Anteil jener Wirtschaftswissenschaftler, die mit Microjobs Geld verdienen – also rein online-basierten Auftragsarbeiten, die an eine Crowd ausgeschrieben werden. Auch bei Absolvent_innen der Ingenieurswissenschaften und bei den Naturwissenschaftler_innen steigt dieser Anteil.
"Nicht das Internet ist heute im Vergleich zu vor 20 Jahren schnell &die Bandbreite an Möglichkeiten, mit Bewerbern in Kontakt zu kommen groß – die Kommunikation erfolgt auch viel zielgruppenspezifischer, interaktiver und nutzerzentrierter."
Im Zeitraffer erkennt man: Nicht nur ist das Internet heute im Vergleich zu vor 20 Jahren schnell und die Bandbreite an Möglichkeiten, mit Bewerber_innen in Kontakt zu kommen groß – die Kommunikation kann auch viel zielgruppenspezifischer, interaktiver und nutzerzentrierter erfolgen. Verschiedene Jobbörsen erleichtern den Zugang zu ganz bestimmten Bewerbergruppen, Stellenanzeigen lassen sich flexibel auf die jeweils gewünschte anpassen. Employer Branding kann ebenso zielgruppenspezifisch und maßgeschneidert kanalübergreifend wirken, und durch den Dialog zwischen Bewerbenden und Arbeitgebern verbessert sich die Passung und Bindung zwischen beiden.
Digital, nutzerzentriert, datenbasiert
Noch ist lange nicht Schluss mit den Veränderungen, die durch die Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt angestoßen werden. Gerade erst brachten zwei Neuerungen wieder erheblichen Veränderungsdruck für Unternehmen mit sich. Zum einen die DSGVO, die dazu zwang, alles rund um HR auch durch die Datenschutzbrille zu betrachten. Bewerbungen weiter im Schrank stapeln war damit schwierig, ein digitales Tool als Lösungsansatz naheliegend – eine Innovation, die indirekt durch den Gesetzgeber vorangetrieben wurde.
Zum zweiten wurde in diesem Jahr die neue Jobsuche-Funktion von Google eingeführt. Dies brachte zum ersten Mal seit dem Auftauchen der Online-Jobbörsen vor 20 Jahren eine Änderung des Konzeptes mit sich. Was wollen Jobsuchende wirklich wissen? Was ist ihnen egal? Die Jobsuche ist streng: Was der Nutzer nicht wissen will, wird aussortiert. Was folgt daraus? Digital, nutzerzentriert und datenbasiert: In diese Richtung scheint es zu gehen. Wer Digital Natives rekrutieren und konkurrenzfähig bleiben will, wird also nicht umhin kommen, sich damit zu beschäftigen.