Wie hat sich der Arbeitsmarkt in 20 Jahren verändert? Trend 1: Vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt
22.08.2019 | Fanny Jimenez und Linda Dommes
Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren am Arbeitsmarkt getan? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine 4-teilige Serie im Zukunft Personal Blog in Kooperation mit Trendence. Neue Artikel erscheinen donnerstags.
Die letzten 20 Jahre waren eine turbulente Zeit, der Wandel schien allgegenwärtig. Trendence hat diese Veränderungen als unabhängiges Beratungs- und Marktforschungsunternehmen genauso lange begleitet und erforscht. Wie ein Seismograph zeigen die Studien, wie und wann sich Karrierepläne und Wunscharbeitgeber von Tausenden Schüler_innen, Absolvent_innen, Young Professionals und Fachkräften verändern. Und sie verraten, welche Arbeitgebermarken die Veränderungen der Zeit am erfolgreichsten gemeistert haben. Die besten Brands, die größten Aufsteiger haben die richtigen strategischen und operativen Entscheidungen im Bereich Employer Branding und Personalmarketing getroffen.
Trend 1: Vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt
In unserem ersten Blogbeitrag geht es darum, wie der demographische Wandel und der daraus resultierende Personalmangel die Haltung der Arbeitnehmer_innen geprägt und verändert hat – und welche Herausforderungen das für Unternehmen bis heute mit sich bringt. Daten des Statistischen Bundesamtes belegen, dass zwischen 1997 und 2017 der Anteil der unter 20-Jährigen ebenso wie jener der 20-40-Jährigen jeweils um fast fünf Prozent gesunken ist. Der Job-Nachwuchs wird rar, bei wirtschaftlichem Wachstum und ständig steigender Nachfrage nach Arbeitskräften. In der Folge werden Absolvent_innen besonders nachgefragter Fächer wechselbereiter, wie unsere Zeitreihen-Daten zeigen. Studierende erwarten zunehmend, ihren ersten Job nicht übermäßig lange zu machen. Glaubten IT-ler_innen im Jahr 2013 noch, in ihren ersten Job etwa sieben Jahre lang zu bleiben, waren es 2019 nur noch sechs (siehe Grafik). Ähnlich sieht es bei Wirtschaftswissenschaftler_innen und Ingenieurwissenschatler_innen aus.
Wenn innerhalb von nur fünf Jahren die Wechselbereitschaft bereits bei Jobeinsteigern derart steigt, was bedeutet das für Unternehmen? Es zeigt vor allem, dass neben Employer Branding und externem Personalmarketing das interne Personalmarketing immens an Bedeutung gewinnt. Es wird essenziell, Mitarbeiter nicht nur anzulocken, sondern sie langfristig und emotional zu binden und ihnen die Identifizierung mit dem Unternehmen und seiner Mission leicht zu machen. Dafür ist es zentral, die Bedürfnisse der Zielgruppen zu kennen. Zwar hatten Jobeinsteiger und Berufserfahrene schon immer viele Wünsche – inzwischen aber haben sie die Macht, deren Erfüllung auch einzufordern. Besonders Absolvent_innen und Berufserfahrenen in gefragten Fächern stehen heute viele attraktive Unternehmen zur Auswahl. Wenn ihnen eines nicht (mehr) passt, wartet das nächste schon freudig auf ihre Bewerbung.
Aus unseren Zeitreihen-Daten wissen wir, welche Rahmenbedingungen aus Sicht der Absolvent_innen in gefragten Fächern wie Wirtschaft, Ingenieurwissenschaften und IT erfüllt sein müssen, damit ein Job attraktiv erscheint. So stieg etwa bei Wirtschaftswissenschaftler_innen in den vergangenen zehn Jahren das erwartete Jahresgehalt um knapp 4000 Euro, von 42.000 auf fast 46.000 Euro. Gleichzeitig sank die erwartete wöchentliche Arbeitszeit bei dieser Fächergruppe um fast vier Stunden, von 47 auf 43 Wochenstunden. Mehr Geld für weniger Arbeit, das scheint schon fast eine Selbstverständlichkeit zu sein. Doch die Jobeinsteiger haben weitere Kriterien im Kopf, die ein Arbeitgeber idealerweise erfüllen sollte. Die persönliche Entwicklung ist allen sehr wichtig, die Karriereperspektiven sollten zumindest für die Wirtschaftswissenschaftler stimmen. Ein guter, motivierender Führungsstil, Wertschätzung und eine angenehme Atmosphäre unter den Kollegen sind für über 94 Prozent der Studierenden dieser Fächer bei der Wahl ihres Arbeitgebers ebenfalls wichtig. Sehr abschreckend wirkt dagegen Mobbing: Drei von fünf Bewerbern wollen nicht in einem Unternehmen arbeiten, in dem das praktiziert wird. Knapp die Hälfte der Studierenden lehnt Jobangebote ab, wenn ihnen das Gehalt zu niedrig erscheint, ein Drittel sagt Nein, wenn die Entwicklungsmöglichkeiten nicht stimmen.
"Die Unzufriedenheit und Wechselbereitschaft steigt rasant, wenn unter der Führung die Motivation der Arbeitnehmer leidet oder nicht genügend Freiräume bleiben."
Bei Young Professionals, also Berufserfahrenen, die bis zu zehn Jahre Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt haben, wirkt ein schlechter Vorgesetzter am abschreckendsten. Die Unzufriedenheit und Wechselbereitschaft steigt rasant, wenn unter der Führung die Motivation der Arbeitnehmer leidet oder nicht genügend Freiräume bleiben. Ein attraktives Gehalt ist auch hier zwar auch wichtig, ebenso aber eine flexible Organisation der Arbeit. Wenn sich die Karriere nicht mit einem erfüllten Privatleben vereinbaren lässt, wenden sich Young Professionals schnell ab.
Bei einer dritten Zielgruppe, die sich vor Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt kaum retten kann, sind fast die Hälfte, 45 Prozent, offen für einen neuen Job. Die Rede ist von Fachkräften. Weitere 38 Prozent von ihnen schauen ab und zu nach attraktiven Jobangeboten oder sind sogar aktiv auf Jobsuche. Lediglich knapp 17 Prozent wollen ihrem aktuellen Arbeitgeber treu bleiben. Der latenten Wechselbereitschaft der großen Mehrheit liegt eine Unzufriedenheit zugrunde, die meistens das Gehalt betrifft. Fast die Hälfte der von uns befragten Fachkräfte sagt, dass ihr Gehalt zu niedrig sei. Ein marktgerechtes Gehalt und die pünktliche Gehaltszahlung sind daher mit Abstand die wichtigsten Faktoren für Zufriedenheit im Job. Gleich danach folgt auch hier die Vereinbarkeit des Privat- und Berufslebens. Wechseln Fachkräfte den Job, dann vor allem, weil der neue Arbeitgeber eine sichere Anstellung bietet und seine Mitarbeitenden fair behandelt.
Wer diese Bedürfnisse kennt, hat schon einige Hebel in der Hand, Absolvent_innen und Berufserfahrene zu rekrutieren und zu binden. Im nächsten Blogbeitrag werden wir darauf eingehen, welchen Arbeitgebern das über die Jahre gut gelungen ist – unter anderem, weil sie Trend 2 gut gemeistert haben: die Digitalisierung.