Die Kunst des Pausemachens: Wie wir Mikro-Auszeiten in unseren Alltag integrieren
09.07.2020 | Gina Schöler
Endlich Sommer. Raus in die Natur, ab in den Biergarten, Fahrradtour über die Felder oder ein Picknick auf der Wiese. Es summt und brummt. Über jede einzelne Biene freue ich mich riesig, sind sie doch so faszinierend und wichtig zugleich! Nicht umsonst zählen sie zu den wichtigsten Nutztieren; sie bestäuben die Blüten der Pflanzen, sammeln dabei Pollen und produzieren Honig sowie Wachs. Durch ihr eifriges Arbeiten hat sich also das Sprichwort “Fleißig wie eine Biene” abgeleitet. Was viele allerdings nicht wissen: Die fleißigste aller Bienen ist die Hummel. Denn diese ist noch viel leistungsfähiger, arbeitet auch bei niedrigen Temperaturen, fliegt schneller und weiter und bestäubt sogar mehr Pflanzen (1).
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich persönlich bin ein riesiger Hummel-Fan. Nicht nur, dass sie so herrlich „gemütlich“ daher kommen, auch die (mittlerweile widerlegte) Mythe, dass sie theoretisch gar nicht fliegen könnten, es aber trotzdem tun, finde ich einfach einen genialen Gedanken. Außerdem gebe ich es gerne zu: Ja, ich habe „Hummeln im Hintern“:
Ich sprudel vor Ideen, liebe es, Theorien nicht zu lange im Kessel zu lassen, sondern sie in die Praxis umsetzen, einfach mal zu machen, auszuprobieren und zu schauen, wohin der Weg führt. Als Glücksministerin rege ich mit Aktionen, Anstiftungen und persönlichen Aha-Momenten dazu an, selbst den Löffel zu schwingen und sich als Chefkoch eigene Glücksrezepte zu kreieren. Durch die Kunst der Kommunikation und Kreativität zeige ich auf, wie jeder zum Gestalter des Glücks werden und dieses weitergeben kann. Dieser Job erfüllt mich, ich liebe ihn und bin seit acht Jahren im Dauer-Flow.
Das ist ein unglaublich schönes Gefühl! Aber ich merke auf der anderen Seite auch immer wieder, dass es trotz – oder gerade wegen dieser erfüllten Berufung – unglaublich wichtig ist, immer wieder Pausen im Alltag einzulegen. Immer wieder werde ich gefragt, wie mein Arbeitsalltag aussieht. Bitte sehr, hier kommt ein kleiner Einblick in das ganz normale Chaos:
Neulich hatte ich wieder so einen typischen Turbo-Tag, an dem ich gleich morgens nach dem Aufstehen komplett in den Doing-Modus verfallen bin: Ich habe meine sieben Sachen samt Kind, Hund und ministeriale Materialien gepackt, hier ein Laptop, da eine riesen Tasche voller Pakete und Post, Stöpsel im Ohr, Telefontermine, Projekte und Aufgaben im Kopf und los ging’s! Kind in die Kita, Hund auf die Wiese und anschließend direkt vor die Bildschirme. Videokonferenzen, Instagram-Stories, den nächsten Newsletter vorbereiten, Artikel schreiben, mit Kooperationspartnern neue Ideen spinnen, Angebote schreiben, Konzepte erarbeiten, Events organisieren. Ach ja und E-Mails, E-Mails, E-Mails.
Während all dem habe ich mich bei jedem einzelnen Schritt gefragt, wie ich heute schon wieder alles unter einen Hut bekommen soll. Daraufhin habe ich mich bei folgendem Gedanken erwischt: “Tja, dann kann ich heute mal wieder keine Pause machen!”. Ganz ehrlich: Das kann doch nicht die Lösung sein?
Zum Glück habe ich mein tolles Team und ein wertvolles Netzwerk. Alleine ist das kaum möglich, aber trotzdem erwische ich mich immer wieder in dieser Dauerschleife des Leistens. Weil: Es macht ja auch Spaß und ich erkenne den Sinn unmittelbar. Das motiviert und spornt ungemein an!
Nichtsdestotrotz darf ich lernen aus all den To Do’s auch mal „Tu Du’s“ zu machen und mehr abzugeben, zu vertrauen und laufen zu lassen. Und was noch viel wichtiger ist: Ich will lernen, Pausen zu machen. Irgendwie habe ich vergessen, wie das geht. Und während ich das schreibe, steht das volle Glas Wasser, das ich mir heute Morgen neben mich gestellt habe, noch unangetastet da und meine Schultern sind schon wieder hochgezogen und verspannt. Ich brauche wirklich Nachhilfe im aktiven Pausieren!
Ihr merkt also, ich habe definitiv Nachholbedarf darin, öfter mal den Pauseknopf zu drücken. Gleichzeitig lerne ich immer wieder, in mich reinzuspüren und mir dann auch wieder kleine Auszeiten zu nehmen. Im Größeren funktioniert das gut, ich kann super Feierabend machen, am Wochenende bin ich weitestgehend offline und im Sommer gönne ich mir eine ausgedehnte Sommerpause zum Aufladen. Nur mit den Mikro-Pausen klappt es nicht so recht.
Und genau die brauche ich, um kreativ und energiegeladen zu sein, um Glück an andere weitergeben und meine kleinen Hummeln fröhlich weitersummen zu lassen. Also rein ins Brainstorming, wie solche Mini-Auszeiten während eines ganz normalen Tages aussehen könnten:
Vor lauter Gas geben das Bremsen nicht vergessen!
Gerade wenn wir voller Tatendrang stecken, haben wir häufig das Gefühl, alles auf einmal bewältigen zu wollen. Wir kennen dann keine Grenzen mehr, wollen der Welt zeigen, dass wir alles auf die Kette kriegen: Das perfekte Elternteil und gleichzeitig erfolgreich im Job sein, einen top Haushalt führen und unsere Freizeit mit außergewöhnlichen Hobbys füllen, uns ehrenamtlich betätigen und natürlich auch für unsere Freunde da sein. Wir funktionieren, erledigen unsere Aufgaben, rennen von einem Termin zum nächsten und versuchen, es allen Recht zu machen.
Wo bleiben aber wir selbst? Wir wachen morgens auf und sind funktionieren sofort: Was gibt es alles zu tun? Was muss alles erledigt werden? Womit fängt man an?
Immerhin hat der Tag nur 24 Stunden. Keine Zeit zu verlieren. Die Welt will gerettet werden – obwohl sie auch ohne uns ganz gut zurecht kommt, aber das wollen wir natürlich nicht wahrhaben. Wir wollen gebraucht, gesehen und wertgeschätzt werden, ist die To-Do-Liste also eine Art Bestätigung, dass wir wertvoll sind?!
Gerade wenn wir lieben was wir tun, unser Enthusiasmus keine Grenzen kennt, wir Vollgas geben und uns auf der Überholspur befinden, dürfen wir manchmal einen Gang herunterschalten oder uns selbst ausbremsen. Denn zu oft wollen wir alles auf einmal – und das ist auf Dauer keine gute Strategie. Denn vor lauter Durchpowern verlieren wir den Fokus und wissen manchmal gar nicht mehr wo vorne und hinten ist. Ihr kennt das Bild, wenn Hamster zu schnell im Rad rennen und dann „durchdrehen“ und rausgeschleudert werden? Lasst es nicht soweit kommen!
“Für etwas brennen, ohne zu verbrennen!” lautet die Devise.
Was hilft dabei, wenn wir uns mal wieder mit zu vielen Dingen auf einmal beschäftigen, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen wollen und mit durchgedrücktem Gaspedal den Highway entlang rasen? Blinker setzen, auf die Bremse treten und rechts ranfahren.
Durchatmen statt Durchpowern.
Zwischen Marathon und Meditation
Im Alltagsstress vergessen wir oft in uns hineinzuhören und vor allem zu fühlen. Wir sind dann so im Macher-Modus, dass wir nicht merken, ob wir vielleicht müde oder angespannt sind, vielleicht Durst haben oder welche Sorgen und Gedanken uns umtreiben. Daher ist es enorm wichtig, dass wir uns immer wieder aus dem Tohuwabohu rausnehmen, um uns selbst zu beobachten. Das ist nicht zwischen Tür und Angel möglich, sondern braucht etwas Raum und Zeit.
Manchmal läuft alles glatt, wir sind im Voll-Flow und powern, was das Zeug hält. Es macht Spaß und gibt uns auch Kraft. Genauso gibt es aber auch Phasen, da meinen wir, dass es unbedingt weitergehen muss, auf Biegen und Brechen, obwohl wir innerlich ganz genau spüren, dass wir eigentlich etwas mehr Ruhe bräuchten. Manchmal ist das auch beeinflusst von unserer familiären oder beruflichen Situation, manchmal hat das auch körperliche Gründe.
Jedenfalls ist es ganz normal, nicht 24/7 Vollgas zu geben. Welcher Motor kann das leisten?!
Es gilt also zu erspüren, wann es Zeit für einen Marathon und wann für Meditation oder Mittagsschlaf ist! Wenn wir nicht auf unsere Bedürfnisse und unsere ganz individuelle Balance Acht geben, laufen wir Gefahr, auszubrennen. Daher ist es essentiell, dass wir uns Zeit nehmen, in der wir uns um uns selbst kümmern – die wichtigste Ressource überhaupt!
Wir kümmern uns gut um uns, indem wir genau in uns reinhören und uns einmal fragen: “Wie geht es mir gerade?” oder “Worum kreisen meine Gedanken?”. Oft stecken wir in einem Gedankenkarrusell fest, denken über Vergangenes nach oder planen Zukünftiges, sind schon drei Schritte voraus und genau das bereitet uns Stress. Da dieser uns bekanntlich krank macht und viele negative Nebenwirkungen mit sich bringen kann, gilt es hier, präventiv zu werden. Um Stress zu entfliehen, müssen wir nicht immer komplett aussteigen.
Es braucht nicht immer eine Weltreise, ein Sabbatical oder der Besuch eines Schweigeklosters und genau das macht es umso interessanter – denn kleine Auszeiten im Alltag kann jeder ins eigene Leben intergrieren. Durch kleine Regenerationsphasen im Alltag können wir schon viel bewirken. Aber was können wir konkret tun, um mal kurz abzuschalten?
Kleine Pausen mit großer Wirkung
Zu Schulzeiten haben wir immer darauf hingefiebert: Die große Pause. Wir konnten unser Mittagessen genießen, uns mit Schulfreunden unterhalten, toben oder noch schnell die Hausaufgaben für den Nachmittagsunterricht abschreiben und unsere Freizeitaktivitäten planen. Neben dieser aufregenden, langen Pause schienen die kleinen 5-Minuten-Pausen zwischendurch wie ein Witz. Meisten mussten wir noch von einem in das andere Klassenzimmer laufen, auf Toilette, kurz mit einem Lehrer reden und schon war die Zeit vorbei. Doch solche kleinen Pausen, wie wir sie nicht nur aus Schulzeiten kennen, sind nicht zu unterschätzen – wenn man sie richtig nutzt!
Laut Experten reichen bereits 2 bis 5 Minuten, um unser Wohlbefinden zu steigern und einen Erholungseffekt zu generieren (2). Daher sind auch mehrere kleine Pausen effektiver als eine große; man arbeitet produktiver und kann auch abends besser abschalten (3). Kleine Pausen im Alltag machen demnach schon einen enormen Unterschied. Und Hand aufs Herz: ein paar Minütchen können wir uns doch alle zwischendurch gönnen, oder? Erinnert euch daran: Die Welt geht davon nicht unter!
Wie erinnert man sich nun an diese kleinen Auszeiten und schafft es, dass sie nicht wieder untergehen und vergessen werden? Man kann sich beispielsweise ein bestimmtes Zeitfenster setzen, in dem man produktiv und ungestört arbeitet und sich anschließend eine kleine Pause gönnt. Vom konzentrierten Produktivitätsmodus in den Entspannungsmodus. So bleiben wir in einem guten Gleichgewicht zwischen Arbeit und Erholung.
Habt ihr schon einmal von der Pomodoro-Technik gehört?
Pomodoro bedeutet Tomate auf Italienisch und ihr könnt euch bei dieser Zeitmanagement-Methode eine Küchenuhr in Form des roten Fruchtgemüses vorstellen. Ein wunderbarer visueller Anker! Stellt den Wecker auf 25 Minuten und konzentriert euch in dieser Zeit ganz bewusst auf eure Aufgaben, ohne euch in dieser Zeit ablenken zu lassen. Wenn der Wecker klingelt, belohnt ihr euch für die getane Arbeit und entspannt für 5 Minuten. Nach 4 Abschnitten kann dann auch eine längere Pause von 30 Minuten eingelegt werden. Ich garantiere euch: Solch ein roter Reminder auf dem Schreibtisch wirkt Wunder!
Und wie cool ist es, wenn man zusätzlich ein Schild an die Tür hängt: Bin in der Pomodoro-Pause – bitte nicht stören!
Fragende Blicke und neugierige Gespräche sind garantiert, in denen man anschließend eine gesunde Pausenkultur besprechen kann!
Ob ihr spezifische Zeitmanagement-Methoden anwendet, euch beispielsweise den Wecker stellt oder ganz ohne Zeitlimit, sondern intuitiv Arbeits- und Erholsphasen einteilt, bleibt natürlich jedem individuell überlassen. Denn auch beim hier gilt: Das tun, was sich für einen selbst gut anfühlt! Und gerade wenn man im Flow ist, Ideen im Kopf hat, die umgesetzt oder auf Papier gebracht werden wollen, dann wollen wir einfach auch im Arbeitsmodus bleiben und uns nicht ablenken lassen. Das ist auch gut so und es geht gar nicht darum, jede Pause genau zu timen und sich so vielleicht wieder Stress zu machen ganz nach „Ich muss noch schnell entspannend“, sondern wir dürfen uns immer wieder daran erinnern, wie wichtig kleine Verschnaufspausen sind. Wir merken, wie es uns besser geht, wir entspannter und glücklicher sind, wenn wir kurz innehalten, locker lassen und danach wieder loslegen. Daher ermutige ich dazu, einfach einmal etwas Neues auszuprobieren, zu entdecken, welche Strategien euch daran erinnern, immer wieder kleine Auszeiten einzulegen und zu staunen, welche große Wirkung kleine Alltagsauszeiten haben können.
Inseln im (Arbeits-)Alltag
Gerade unsere Arbeitswelt ist geprägt von Leistung, Effizienz und Ergebnissen. Wer nicht liefert, der verliert. Zumindest denken so viele. Daher geht es oft unter, sich ein paar Minuten Auszeit zu nehmen und einen Gang runterzuschalten. Dabei sind Pausen eine wesentliche Regenerationsquelle am Arbeitsplatz: Sie dienen der eigenen Gesundheit und helfen dabei, die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten (4). Dennoch lassen viele ihre Pause ausfallen (5), obwohl diese natürlich gesetzlich geregelt ist am Arbeitsplatz: Wer zwischen 6 und 9 Stunden am Tag arbeitet, dem stehen mindestens 30 Minuten Pause zu. Hier ist jeder auch für sein eigenes Wohl verantwortlich. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus?
Seht kurze Pausen als eure individuelle Oasen an, in denen ihr in nur ein paar Minuten Kraft tanken könnt und die dazu dienen, euch zu entspannen und ausgeglichen zu bleiben. Das können winzige Momente sein, die ganz individuell gefüllt werden. Ich möchte euch gerne ein paar solcher Tankstellen vorstellen und Input geben, wie man diese Mikromomente im Alltag gestalten kann.
Wie immer gilt: Probiert aus, schaut, was euch gut tut, welche Ideen ihr für euch umsetzen, anpassen oder erweitern wollt. Ziel ist es, dass ihr euren eigenen Weg findet, euch immer wieder rauszunehmen und zu erholen.
Quellen:
1. Dominik Wurnig
2.
FAZ
3. Hannah Frey. Gesund im Büro. Kreuz Verlag, 2015, 152.
4.
iga.report
5.
baua.de