Digitalisierung - Konzentration trotz ständiger Erreichbarkeit
08.07.2020 | MOOVE GmbH
„Life was much easier when apple and blackberry were just fruits“ - Aleksander With (2010)
In den vergangenen Jahren haben sich unsere Mobiltelefone hin zu kleinen Computern entwickelt und die private Verfügbarkeit von technischen Geräten und Vernetzungstechnologien steigt ungebremst. Gleichzeitig sind die Vernetzungskosten gesunken, sodass die ständige Erreichbarkeit und die Informationsgewinnung über das Smartphone deutlich zunehmen. Das beeinflusst nicht nur unser Konsumverhalten, sondern auch die Interaktion im Freundeskreis und bei der Arbeit.
Insbesondere in der Arbeitswelt bringt die Digitalisierung neue Herausforderungen für die Mitarbeiter mit sich, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch während der Frei- und Familienzeit.
Dazu zählen:
- Ablenkung durch akustische Signale
- Angst etwas zu verpassen
- Jagd nach Followern
- Regelmäßigkeit von Postings
- Stetige Erreichbarkeit
- Im Feierabend E-Mails checken
- Geringe Distanz zur Arbeitswelt
- Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens
Seit 2015 entwickeln sich klein- und mittelständische Unternehmen sowie Großunternehmen in der Digitalisierung deutlich weiter. Daher ist es vielen Arbeitnehmern möglich, ortsunabhängig zu arbeiten und auf wichtige Daten zugreifen zu können. Diese Entwicklung der freien Gestaltung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes wird oftmals positiv aufgenommen. Rund 26 % der Deutschen über 14 Jahren geben in einer Umfrage der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) von 2015 bis 2019 an, dass es ihnen wichtig ist immer erreichbar zu sein.
Doch der Fortschritt der Technologie allein ist nicht der Auslöser für die ständige Erreichbarkeit, sondern auch Veränderungen der Arbeitsmethodik und -organisation, wie:
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Unterschiedliche Arbeitszeiten aufgrund von Flexibilisierung und Internationalisierung
Mit der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsorten kommt es zur Ausprägung unterschiedlicher Arbeitszeitmuster der Beschäftigten. Hinzu kommt die unterschiedliche Länge der Arbeitszeit von verschiedenen Beschäftigtengruppen, insbesondere verlängerte Arbeitszeiten von Beschäftigten mit Vorgesetztenfunktion. Durch diese Asynchronität der Arbeitszeiten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Kollegen in der Freizeit kontaktiert werden. Verstärkt wird dieses Phänomen durch die Internationalisierung von Unternehmensstrukturen und Kundenbeziehungen, welche mit Kommunikation über Zeitzonen hinweg verbunden ist. -
Zunehmende Verbreitung ergebnisorientierter Formen der Leistungssteuerung
Ergebnisorientierte Formen der Leistungssteuerung zeichnen sich dadurch aus, dass die Aufgabendefinition nicht prozess-, sondern zielorientiert erfolgt. Unter solchen Formen der Leistungssteuerung sind Verantwortlichkeitsvorstellungen und Verpflichtungsgefühl der Beschäftigten gegenüber Kunden und Unternehmen besonders ausgeprägt. Dies fördert auf der Beschäftigtenseite die subjektive Bereitschaft zur Erreichbarkeit und Arbeit außerhalb der üblichen Orte und Zeiten. - Veränderter Kundenerwartungen
Veränderte Kundenerwartungen – etwa steigende Ansprüche auf 24/7-Service – bedeuten erhöhte Erreichbarkeitsanforderungen an die Unternehmen, welche diese wiederum in bestimmtem Maß an ihre Beschäftigten weiterreichen. - Überlastung
Wenn Beschäftigte mit einer Arbeitsmenge konfrontiert sind, die sie im Rahmen ihrer regulären Arbeitszeit nicht bewältigen können, kann dies dazu führen, dass sie auch in ihrer Freizeit E-Mails und Anrufe bearbeiten. Ein solches Verhalten häufig als individuelle Entlastungsstrategie beschrieben, um eine Intensivierung während der Arbeitszeit zu begrenzen. Je eher Beschäftigte das Gefühl haben, dass sie ihre Arbeit in der regulären Arbeitszeit nicht bewältigen können, desto mehr Zeit verwenden sie in ihrer Freizeit für die Bearbeitung von Aufgaben. - Notfälle
Es haldelt sich meist nicht um Notfälle im Sinne von Leben und Tod, sondern um Situationen, in denen Beschäftigte den Eindruck haben, sie müssten auch in der Freizeit auf eine bestimmte Anfrage zu reagieren, weil sie sich verantwortlich für das Funktionieren eines Prozesses fühlen oder einen wirtschaftlichen Schaden vermeiden möchten. - Missverstandene Erreichbarkeitskultur im Unternehmen
Der Mitarbeiter nimmt möglicherweise implizite Normen, dass eine Erreichbarkeit auch außerhalb der regulären Arbeitszeit gegeben sein muss, auf, die z. B. durch die Bereitstellung entsprechender technischer Möglichkeiten, das Verhalten von Anderen oder verbale Kommentare transportiert werden.
Wie weit verbreitet diese ständige Erreichbarkeit in der Bevölkerung ist, zeigt sich in folgenden Zahlen:
- 33 % der Bevölkerung in Deutschland leiden unter der Informationsüberlastung durch ständige Erreichbarkeit.
- 25 % der Beschäftigten lesen einmal oder mehrmals pro Woche außerhalb der Arbeitszeit E-Mails.
- 22 % der Beschäftigten sollen auf Wunsch des Arbeitgebers auch im Privatleben für dienstliche Angelegenheiten zur Verfügung stehen.
Welche Auswirkungen kann die permanente Nutzung von digitalen Medien haben?
Wenn ständige Erreichbarkeit zu einem Dauerzustand wird, kann das negative Folgen für die Gesundheit haben. Diese reichen von möglichen Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Strahlung, bis hin zu unkontrolliertem Medienkonsum und Suchtverhalten, digitaler Demenz oder Distanzierung von der Gesellschaft. Im Alltag ergibt sich durch die ständige Erreichbarkeit und das Mitführen digitaler Medien eine ständige Ablenkung und Fragmentierung der Tätigkeit. Darunter leiden auf Dauer auch die Konzentration und Motivation.
Mit Blick auf die Gründe für eine ständige Erreichbarkeit wird deutlich, dass es sowohl an den Beschäftigten als auch an den Arbeitgebern ist, hier einen besonderen Fokus und eine transparente Kommunikation der Herausforderungen zu ermöglichen. Gegenseitiges Vertrauen und aktiver Austausch über die Herausforderungen, die damit einhergehen ist wichtig. Beschäftigte benötigen zur Bewältigung der Anforderungen zunehmend Softskills, wie Selbstorganisationsfähigkeit, interkulturelle Kompetenzen, soziale Intelligenz und Projektmanagementkompetenzen, um sich dem digitalen Fortschritt in der Arbeitswelt anpassen zu können. Hierbei ist es notwendig, dass Unternehmen ihre Beschäftigten adäquat unterstützen und die Kompetenzen aktiv stärken.
Tipps für mehr Konzentration im Alltag
- In der Anwesenheit anderer Personen möglichst auf den Smartphone-Gebrauch verzichten „STOP PHUBBING“. Phubbing stellt sich aus zwei englischen Wörtern zusammen: Phone (Telefon/ Handy) und snubbing (brüskieren, jemanden vor den Kopf stoßen). Soll bedeuten: "Der Akt, jemanden zu brüskieren, indem man auf sein Handy schaut, statt seinem Gegenüber Aufmerksamkeit zu schenken".
- Konzentrieren Sie sich auf das Wichtige, z. B. den Straßenverkehr und nicht die Medien.
- „Back to the roots“: Wieder einen Wecker verwenden, statt das Handy am oder im Bett zu haben.
- Während der Arbeitszeit Zeitblöcke einplanen, zu denen das Mail-Programm geschlossen bleibt.
- Während der Arbeitszeit das Smartphone nicht im Sichtfeld haben.
- Im Urlaub auf E-Mail-Verkehr verzichten.
- Zu sich selbst „nein sagen“ lernen.
- Priorisieren Sie im Fall der „Störung“, wie notwendig, dringend und gerechtfertigt sie ist.