Empathische Führung und die dunkle Seite der Empathie – Wann ist Schluss mit lustig?

19.09.2024 | Rebekka Ilgner | Lesezeit 10 Minuten

Eine Frau die in einem Dunken Raum steht und von hinten durch Licht angestrahlt wird schreit mit Blick zur Kamera
Quelle: Rebekka Ilgner

Das Wichtigste in Kürze

Empathische Führung verbessert nachweislich das Arbeitsklima, die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung. Allerdings kann übermäßige emotionale Empathie zum Burnout führen, wenn Führungskräfte die Probleme anderer zu stark verinnerlichen. Eine Balance zwischen kognitiver Empathie, bei der man objektiv bleibt, und emotionaler Empathie ist entscheidend, um sich selbst zu schützen und dennoch empathisch zu führen.

Studien und Umfragen haben gezeigt, dass empathische Führung nicht nur ein effizienteres Arbeitsklima fördert, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung deutlich erhöht. Doch gibt es auch ein Limit? Ab wann wird zu viel Empathie zu viel? Gibt es eine “richtige” und eine “falsche” Empathie und was musst du als Führungskraft beachten, um empathisch zu führen, ohne auf die dunkle Seite abzurutschen?  

Unterschied: kognitive Empathie und emotionale Empathie

Um zu verstehen, warum du eventuell zu empathisch bist, schauen wir uns heute zwei Ebenen der Empathie an.

1. Kognitive Empathie

Du kannst dir vorstellen, dass die kognitive Empathie beinahe direkt hinter deiner Stirn sitzt. Dort sammelst du Informationen, stellst diese in Verbindung und Kausalität zusammen, um ein Gesamtbild zu kreieren. Vielleicht kennst du das aus den Kriminalfällen im Fernsehen. Die haben immer so Tafeln, wo alle Fakten gesammelt werden, damit sie dann Dinge herleiten und den gesamten Sachverhalt verstehen können. 

Das machst du auch. Dadurch kannst du die Situation der Person nachvollziehen, ihre Gefühle, Emotionen, Reaktionen und Handlungen verstehen. Gleichzeitig wahrst du eine emotionale Distanz, du lässt dich nicht in ihr Problem reinziehen, versuchst es nicht zwanghaft zu lösen und behältst eine objektive Sicht auf das Ganze. 

2. Emotionale Empathie

Das ist die andere Form der Empathie. Du reagierst emotional auf das, was andere erleben und dir erzählen. Du nimmst das Erzählte und die Gefühle deines Gegenübers ungefiltert auf. Du kannst die Gefühle und Reaktionen nachempfinden und versuchst akribisch, eine Lösung für die Herausforderungen der anderen zu finden. Je nachdem in welcher Verfassung du selbst bist, leidest du mehr oder weniger mit der Person. In extremen Fällen kannst du nicht mehr unterscheiden, ob es jetzt das Problem deines Mitarbeitenden ist oder dein eigenes.  

Die dunkle Seite der emotionalen Empathie

Es gibt Menschen, bei denen die emotionale Empathie so sehr ausgeprägt ist, dass sie ausbrennen. Vielleicht kennst du es nicht aus eigener Erfahrung, sondern hast es bei anderen schon häufig bemerkt:

  • Menschen, die sich nicht abgrenzen können. Die, die Probleme der Welt zu ihren machen und dann darin versinken. Sie leiden mit allem und jedem, fühlen sich verantwortlich und setzen alles daran, Lösungen für Probleme zu finden, die gar nicht ihre sind. 
  • Es gibt Menschen, die können nicht „nein“ sagen. Ganz gleich in welcher Situation. Auch wenn sie selbst genug zu tun haben, übernehmen sie Aufgaben von Mitarbeitenden, wenn diese nicht weiterkommen und nur nett fragen. Das sind häufig die, die sich auch familiär um alles kümmern und beruflich und privat immer für jeden da sind. 
  • Menschen sind einfach manipulierbar. Du drückst auf die Tränendrüse, machst ihnen ein schlechtes Gewissen oder lächelst ganz nett und schon helfen sie dir. Perfekte Kolleginnen, die einem die lästigen Aufgaben abnehmen. 
  • Menschen werden plötzlich “kalt” und machen dicht. Das ist meist das Resultat von zu viel emotionalem Stress. Diese Personen können das ganze Leid nicht mehr ertragen, ertrinken förmlich daran, nach Lösungen zu suchen und ziehen in aller letzter Not die Reißleine. Sie bauen eine hohe Mauer und wirken kalt und unnahbar. Genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich sind. 

Woran merkst du, dass du auf die dunkle Seite übergetreten bist?

Wenn du die oben genannten Punkte nicht nur bei anderen siehst, sondern jetzt bei dir festgestellt hast, dann ist es Zeit, genauer hinzuschauen. Du sagst zu allem ja? Du hast das Gefühl, ausgenutzt zu werden? Grenzt dich übermäßig ab? Dann stehst du zumindest mit einem Bein bereits auf der dunklen Seite.

Doch manchmal ist es gar nicht so einfach zu erkennen. Einige stellen abends lediglich fest, dass sie ausgelaugt und erschöpft sind, obwohl ihr Tag eigentlich ganz normal verlief. Andere fühlen: Da stimmt etwas nicht, doch können es noch nicht genau definieren.

Du kannst dir den emotionalen Ballast der anderen wie eine Orange vorstellen. Du als Führungskraft hast am Tag mit verschiedenen Menschen zu tun und jeder hinterlässt Orangen bei dir. Die einen ein paar mehr und die anderen ein paar weniger. Und so empathisch wie du bist, packst du jede Orange in deinen Rucksack, mit dem du jeden Tag rumläufst. 

Dein Rucksack ist bis zum Abend gut gefüllt und ganz schön schwer geworden. So vergeht Tag für Tag. Jeden Tag legen immer mehr Menschen Orangen in deinen Rucksack und irgendwann zieht dieses Gewicht dich so runter, dass du selbst kaum noch aufstehen kannst. 

Und dabei magst du überhaupt keine Orangen!

Wie kannst du deine emotionale Empathie „regulieren“?

Merkst du, dass etwas nicht stimmt, wird es Zeit, etwas zu verändern! 

Auch, wenn du das vielleicht nicht gerne hörst, doch es beginnt damit, bei dir hinzuschauen. Was hast du für eigenen Ballast, wo stellst du das Wohl der anderen über dein eigenes? Wo erlaubst du dir nicht, nein zu sagen? Was würde es brauchen, um eine klare Grenze zu ziehen und die Orangen liegen zu lassen? Wie redest du mit dir selbst und wie siehst du dich selbst? 

Beginne, dich im Alltag zu beobachten. Versprochen, es wird dir viele Erkenntnisse über dich selbst bescheren. 

Falls du jetzt feststellen solltest, dass du bereits auf die dunkle Seite übergetreten bist und zu emotional führst, dann lass uns gerne darüber sprechen, wie ich dich unterstützen kann, empathisch zu führen, ohne selbst auszubrennen, ausgenutzt zu werden oder alle Probleme zu deinen zu machen. 

Wenn du lieber empathisch führen, dabei durchsetzungsstark, konsequent und überzeugend sein willst, dann findest du hier weitere Informationen.

Über die Autorin

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Rebekka Ilgner

Rebekka Ilgner begleitet Unternehmen und Führungskräfte auf ihrem Weg zu einer inspirierenden Führungskultur. Mit ihrem Fokus auf Leichtigkeit, Mut, Struktur und Psychologie gestaltet sie Arbeitswelten, die nachhaltig begeistern und motivieren. Rebekkas Ansatz basiert auf ihrer Devise "Love it, change it or leave it", die sich in ihrem mutigen Handeln und ihren entschlossenen Entscheidungen widerspiegelt. Mit einer breiten Palette an Aus- und Weiterbildungen in Bereichen wie Psychologie, Coaching, Leadership und mehr bringt sie ein umfassendes Wissen ein, das sie als Speakerin und Beraterin nutzt.