Eins, zwei oder drei? Für mehr Entscheidungsfreude im Alltag

21.07.2021 | Gina Schöler

Entscheidungsfreude
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Wir haben circa 60.000 Gedanken am Tag. Eine ganz schön große Menge. Noch erstaunter war ich, als ich las, dass wir nicht nur so viel denken, sondern uns auch extrem viel entscheiden – nämlich 20.000 Mal am Tag. Den Großteil unserer Entscheidungen treffen wir tatsächlich in Millisekunden und ohne, dass wir es mitbekommen. Das fängt schon morgens an: Wenn der Wecker klingelt, drücken die meisten von uns automatisch auf die Snooze-Taste – erste (unbewusste) Entscheidung. Nach dem Aufstehen geht der erste Gang zur Kaffeemaschine, um sie einzuschalten. Später auf der Arbeit wird zuerst der Empfangsmitarbeitende begrüßt und danach im Büro die E-Mails gecheckt. Neben diesen unbewussten kleinen Entscheidungen, gibt es natürlich auch bewusste. Die Auswahl der Kleidungsstücke, des Mittagessens und des Feierabend-Programms sind dafür einige Beispiele. Diese kleinen Entscheidungen – ob unbewusst oder bewusst – haben zumeist keine großen Auswirkungen auf unseren Alltag oder unser Leben im allgemeinen. Ganz anders sieht es mit den großen Lebensentscheidungen aus. Welche Ausbildung, welches Studium soll ich machen? Welchen Job nehme ich an? Möchte ich eine Familie gründen? Wo und wie will ich wohnen?

Das Fällen solch großer Entscheidungen fällt uns oft schwer. Warum das so ist und welche Tipps und Tricks ihr anwenden könnt, damit euch das Entscheiden leichter von der Hand läuft, erfahrt ihr hier.

 

Von richtigen und falschen Entscheidungen

Warum fällt uns das Entscheiden oft so schwer? Es gibt natürlich unglaublich viele verschiedene Optionen, die uns bereitstehen. Und diese Auswahl macht das Treffen nicht gerade einfacher. Damit einher geht die Angst davor, die falschen Entscheidungen zu treffen. Hier können wir unserem Perfektionismus mit guten Gewissen adé sagen. Natürlich ist es wichtig, dass wir verschiedene Informationen einholen, um Entscheidungen zu fällen. Aber wenn wir darauf warten, dass wir wirklich alle Informationen eingeholt, alle möglichen Szenarien durchdacht und alle Möglichkeiten abgewogen haben, dann sind wir wahrscheinlich alt und grau. Abgesehen davon, dass wir nie alles bedenken werden können. Stattdessen können wir uns im Vertrauen üben. Darauf, dass wir uns dafür entscheiden, was in dem aktuellen Moment für uns richtig erscheint – auf Basis der gegebenen Informationen. Und dafür, dass sich alles immer zum Guten wenden wird.

 

Entscheidungshilfen für den Alltag

Sich zu entscheiden, fällt uns nicht immer leicht. Wir quälen und manchmal Tage und Wochen, bis wir eine Entscheidung fällen – und sind manchmal noch im Nachhinein unzufrieden damit. Ich möchte euch daher gerne einige Entscheidungshilfen mit an die Hand geben, die euch beim nächsten Mal helfen können, den Blick auf das Wesentliche zu richten und dadurch glücklicher bei der Entscheidungsfindung zu sein.

 

Kleines Schreiberlein

Ich bin ein riesen Fan des Schreibens. Egal ob es um Reflexion geht, darum seine Gefühle und Gedanken zu sortieren, neue Visionen zu spinnen oder einfach seine Dankbarkeit auszudrücken: Das Aufschreiben ist ein tolles Werkzeug, das uns allen zu Verfügung steht und welches jede:r von uns individuell nutzen kann. Denn hier gibt es kein Richtig und kein Falsch – es kann einfach drauf los geschrieben werden. Kurz oder lang, Roman oder Gedicht, Bulletpoints oder Hieroglyphen – ganz egal! Durch das Schreiben strukturieren wir unser inneres Wirrwarr und bringen Klarheit hinein. Daher eignet sich diese Methode auch wunderbar, um Entscheidungen zu treffen.

 

Was denkt der Kopf? Was spricht der Bauch?

Pro/Kontra Listen sind der Klassiker schlechthin, wenn es ums Entscheiden geht. Listet einfach alle Vorteile und Nachteile, die Entscheidung A und Entscheidung B haben oder auch noch haben könnten, auf. Dadurch erhaltet ihr einen Überblick und könnt gezielt abwiegen.

Auch wenn Listen einem dabei helfen, einen groben Überblick zu erhalten, so ist mindestens genauso wichtig auf sein Bauchgefühl, seine Intuition zu hören. Wenn unser Kopf voller Fragezeichen ist, tun wir gut daran, innezuhalten und darauf zu achten, wie wir uns fühlen, wenn wir an die Entscheidung denken. Spüren wir ein beklemmendes Gefühl im Bauch? Oder vielmehr eine wohlige Wärme?

 

Rat von außen

Beim Treffen von Entscheidungen kann es sehr hilfreich sein, eine Außenperspektive einzuholen. Wenn ihr also nicht weiter wisst oder an einem entscheidenden Punkt hadert, tauscht euch einfach mit anderen darüber aus. Egal ob im Zwiegespräch, mit einer (Whatsapp)Gruppe oder gar bei einem echten (oder auch virtuellen) Stammtisch: Nehmt eure Kolleg:innen, Freund:innen und Vertrauenspersonen mit ins Boot und nutzt eure sozialen Verbindungen zum Austauschen, Teilen, Zuhören. Andere Perspektiven können Wunder bewirken – es ist aber auch ratsam, hier daraus zu achten, „wann es genug ist“. Denn zu viele Meinungen von außen können uns auch wieder verwirren. Lasst euch inspirieren, macht am Ende dann doch euer eigenes Ding!

Dennoch ein kleiner Tipp am Rande: Ein Rat von außen kann, muss aber nicht immer hilfreich sein. Gerade wenn Ratschläge von der “Ja, aber” Fraktion kommen, die zwar gut gemeint sind, aber euch nicht weiterbringen, dann darf man diese auch getrost ignorieren. Umgebt euch daher mit Menschen, die eure Werte kennen, eure Visionen teilen und euch Energie spenden.

 

Zeit heilt alle Entscheidungen

Wir wollen oft alles und zwar sofort auf Knopfdruck. Die Wirtschaft und Gesellschaft macht es uns vor und auch wir verlernen das Geduldigsein. Doch gute Entscheidungen brauchen manchmal eben etwas Zeit – und Abstand. Daher versuche ich, wenn große Antworten anstehen, mich immer wieder rauszunehmen und loszulassen. Und meistens kommt die Lösung dann wie von alleine. Dafür ist es aber wichtig, dass ich ihr Raum und vor allem auch Zeit geben. Denn wenn wir uns zu sehr auf die eine Entscheidung versteifen, blockieren wir innerlich und so können wir auch nicht kreative Ideen schöpfen. Große Entscheidungen müssen wir in der Regel nicht von jetzt auf gleich treffen – also lasst euch Zeit, macht etwas völlig anderes, lenkt euch ab, schlaft ein oder zwei Nächte drüber und fragt euch am Morgen: Wie geht es mir jetzt, nach etwas Abstand, wenn ich an die Entscheidung denke?

Zu groß sollte das Zeitfenster allerdings auch nicht sein – nicht, dass ihr nach einem Jahr immer noch keine Richtung wisst. Setzt euch daher ein Zeitfenster – das zwar genügend Raum für Geduld, aber kein zu großes für ausschweifendes Vorsichhindümpeln lässt. Sobald wir eine Deadline haben, arbeiten wir oft produktiver und auch schneller, was uns wiederum beim Treffen von Entscheidungen hilft.

 

Hast du ‘mal ‘nen Euro?

Wenn ihr euch gar nicht entscheiden könnt – dann werft einfach eine Münze und lasst sie über eure großen Lebensfragen entscheiden. Nein, keine Angst! Ich meine nicht wirklich, dass ihr eure Zukunft in die Hände des Kleingeldes legen sollt. Aber mit einem kleinen Trick, kann das Münzenwerfen euch tatsächlich ein Indiz liefern: Das eigentliche Resultat, ob Kopf oder Zahl, ist dabei zweitrangig. Vielmehr geht es darum, welches Gefühl in euch ausgelöst wird, wenn ihr die obere oder untere Seite des Geldstücks erwischt. Die Theorie der “Negativentscheidung” geht nämlich davon aus, dass ein starkes Ablehnungsgefühl in uns aufkommt, wenn die Münze auf der für uns nicht favorisierten Seite landet.

 

Optimismus hilft!

Habt ihr euch bei diesen Weggabelungen und Auswählen von unendlich vielen Möglichkeiten auch mal gefragt: „Was, wenn es gut geht?“

Oft verlieren wir uns in all den Dingen, die schief gehen könnten, was alles nicht klappt, was wir verpassen, nicht schaffen…

Doch hier die Perspektive zu wechseln und sich die jeweiligen Ergebnisse in den buntesten Farben auszumalen, kann auch helfen, optimistisch und zukunftsgewandt an solche Entscheidungen heranzutreten.

 

Für mehr Entscheidungsfreude!

Es gibt ganz viele Wege und Möglichkeiten, wie wir lernen können, gut und gerne Entscheidungen zu treffen. Es zählt mit Sicherheit nicht zu unseren Lieblingsaufgaben, egal, ob es um die Auswahl des Abendessens oder den nächsten Karrieresprung geht. Aber sich zu entscheiden zählt nun mal zu den alltäglichen Aufgaben unseres Lebens. Und mal ehrlich: Hätten wir es lieber, wenn es ganz sein lassen und das Entscheiden nur noch anderen überlassen würden? Wenn uns die/der Partner:in jeden Abend sagt, was es zu Essen gibt – ob wir es mögen, oder nicht? Wenn die Firma uns einfach in eine andere Abteilung steckt ohne, dass wir ein Wörtchen mitzureden haben? Wohl kaum!

 

Daher plädiere ich für ich Entscheidungsfreude! Dafür, dass wir wieder gerne Antworten auf die Fragen des Lebens suchen, uns ausprobieren, dabei auch mal hinfallen, aber in jedem Falle lernen und daran wachsen. Uns zu Entscheiden bringt nicht nur Kopfzerbrechen mit sich – wir wachsen auch unglaublich daran, vor allem wenn es um große Lebensentscheidungen geht. Forscher:innen haben zudem herausgefunden, dass wir am besten fahren, wenn wir sowohl unseren Kopf als auch unser Bauchgefühl einschalten. Wie in jedem anderen Bereich unseres Lebens geht es also auch hier um eine Balance!

 

 

Über die Autorin

Foto von Gina Schöler

Gina Schöler, Glücksministerin
Gina leitet die bundesweite Initiative „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ und ruft mit bunten Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern. Ned babbeln, mache! Als waschechte Mann­heimerin und leidenschaftliche Weltverbesserin hat sie sich ihren Beruf erfunden: Glücksministerin. Aus dem Bereich Kommunikationsdesign kommend, macht Gina auf fröhliche und unkonventionelle Weise Wer­bung für Werte. Sie ist chronisch neugierig und immer auf der Suche nach spannenden Ideen und Mög­lich­keiten, wie sie Menschen für die wichtigen Themen wie Zufriedenheit, Positive Psychologie und Le­bens­gestaltung begeistern kann. Durch greifbare Ansätze, die sofort in den (Arbeits-)Alltag übertragbar sind, fasziniert sie tausende Menschen, Unternehmen und sogar Bundesministerien.

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